56. Grimme-Preis 2020

Skylines (Komplizenfilm/StickUp Filmproduktion für Netflix)

Grimme-Preis an

 

Dennis Schanz (Showrunner)

Ben Bazzazian (Musik)

Edin Hasanović (Darstellung)

Carol Schuler (Darstellung)

 

Produktion: Komplizen Film GmbH [de], StickUp Filmproduktion GmbH & Co. KG [de]

Erstveröffentlichung: Netflix, Dienstag, 27. September 2019

Sendelänge: 6 Folgen, je ca. 50 Min.

 

Inhalt

Musik bestimmt sein Leben, Hip-Hop ist seine Religion: Der DJ und Produzent Jinn (Edin Hasanovic) träumt von einer Karriere im Musikgeschäft. Als ihm die Plattenfirma Skylines einen Vertrag anbietet, sieht er seine große Stunde gekommen. Das Label gehört dem Rapper Kalifa (Murathan Muslu), einer legendären Figur der Frankfurter Hip-Hop-Szene, der seit den frühen Tagen des deutschen Gangsta-Rap mitmischt.

Doch Kalifa hat zurzeit an unterschiedlichen Fronten zu kämpfen: Der Manager des großen Musikkonzerns, mit dem Skylines kooperiert, fordert ihn auf, seine alten Freunde vor die Tür zu setzen, weil diese sich nicht für das Mainstream-Publikum vermarkten lassen. Und ganz unverhofft erscheint Kalifas Bruder Ardan (Erdal Yildiz) nach einem langen Auslandsaufenthalt auf der Bildfläche und richtet im Studiokeller ein Lager für Hehlerware und Drogen ein, was Skylines ins Visier der Polizei rückt.

In Ardans kriminellem Tross befindet sich auch die kurdische Dealerin Zilan (Carol Schuler), die Jinn überredet, mit ihr einen Hip-Hop-Track aufzunehmen. Doch kann inmitten von Drogen und Gewalt, von windigen Musikmanagern und zweifelhaften Marketingstrategien wirklich guter, echter Hip-Hop entstehen?

 

Stab

Produktion: Komplizenfilm, StickUp Filmproduktion

Executive Producers: Jonas Dornbach, Janine Jackowski, Maren Ade, David Keitsch, Luis Singer, Dennis
Schanz

Buch: Dennis Schanz (Headautor), Oliver Karan, Ole Lohmann, Kim Zimmermann, Arne Ahrens

Regie: Maximilian Erlenwein, Soleen Yusef

Kamera: Stephan Burchardt, Julian Hohndorf

Schnitt: Yvonne Tetzlaff, Sven Budelmann, Robert Kummer

Ton: Christoph Schilling, Dirk Krecker, Veit Norek

Musik: Ben Bazzazian, David Menke, Boris Rogowski

Darstellung: Hasanović, Murathan Muslu, Peri Baumeister, Erdal Y?ld?z, Richy Müller, Sahin Eryilmaz, Lisa Maria Potthoff, Carol Schuler, Carlo Ljubek, Kim Riedle, Sascha Nathan u.v.m.

 

Begründung der Jury

Von den Clubs und der Straße hoch in die Luxus-Appartements und Firmenkonferenzräume in den oberen Etagen: „Skylines“-Schöpfer Dennis Schanz legt sein Hip-Hop-Panorama konsequent in der Vertikalen an und breitet seinen Stoff von oben nach unten in der Frankfurter Topographie aus. Damit folgt er der klassischen Hip-Hop-Erzählung des Underdogs, der es mit kleinen Deals und großer Fresse von der sprichwörtlichen Straßenecke ins Luxusloft bringt.

Das kleine Kokspäckchen und der große Plattendeal, Revierkämpfe und Businesspläne, das alles gehört in „Skylines“ zusammen. Schanz gelingt es, vor der Frankfurter Hochhauskulisse die oft paradoxen Anziehungsdynamiken von Rap und Geld zu zeigen. Da sind die Manager, die sich in ihren Kunstwelten im 10. oder 20. Stock nach „Realness“ sehnen; da sind die Siedlungskinder, die davon träumen, ihre Tracks in die Penthouses zu tragen.

„Skylines“ ist großes Hip-Hop-Kino – und zugleich ein nüchterner Blick auf das Business hinter der Musik. Der Sechsteiler feiert den Mythos des Rap – und zerlegt ihn zugleich. Ein präziseres fiktionales Szenario zum Hundert-Millionen-Euro-Geschäft Gangsta-Rap hat man noch nicht im deutschen Fernsehen oder im deutschen Kino gesehen. Große Authentizität gewinnt die Serie auch dadurch, dass Schanz seine Figuren aus Versatzstücken realer Künstler des hessischen Hip-Hop-Betriebs zusammensetzt und Szenegrößen Gastauftritte gibt.

Die Jury hat auf ihrer Sitzung leidenschaftlich über die rauen, zum Teil ungestümen Dicke-Hose-Auftritte der echten und der fiktiven Rap-Stars gestritten. Uneingeschränkt einig war man sich über den furiosen Umgang mit der Musik in der Serie: Mithilfe des Musikproduzenten Ben Bazzazian, der mit einigen der wichtigsten Protagonisten der Szene im Studio zusammengearbeitet hat, wird die Musik zum integrativen Moment der Handlung. Sie treibt das Geschehen voran, sie kommentiert es, und in den besten Momenten bringt sie auf den Punkt, dass Hip-Hop-Hits tatsächlich realen Lebenslagen abgerungen sein können.

Wie Edin Hasanovic und Carol Schuler als schüchterner Hip-Hop-Träumer und gewalttätige Drogendealerin nachts im Studio eine eigene Rap-Sprache entwickeln – tastend, verwundbar und doch mit einem sicheren Gespür für den Groove – gehört zu den schönsten und pursten Filmmomenten, die man je über Hip-Hop gesehen hat.

 
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