52. Grimme-Preis 2016

Streetphilosophy (RBB/ARTE)

Grimme-Preis an

Dominik Bretsch (Buch und Regie)

Simon Hufeisen (Buch und Regie)

Søren Schumann (Redaktion)

Produktion: Weltrecorder

Erstausstrahlung: Sonntag 15.11.2015, Arte

Sendelänge: je 26’

Stab

Regie und Produktion: Dominik Bretsch und Simon Hufeisen (Weltrecorder)

Kamera: Immanuel Hick, Benedict Sicheneder, Hans Goedecke, Cornelius Diemer, Stefan Bremer

Montage: Stefanie Kosik-Wartenberg

Schnitt: Stefanie Kosik, Andi Pek

Ton: Sascha Czycykowski, Uwe Thalmann, Fabian Lackas

Drohnenoperator: Axel Ehrlicher

Mischung: Schieffer und Schieffer Tonstudio

Motion Design und Animation: Sebastian Lechner

Color Grading: Stefan Bremer

Postproduktion: Maximilian Duwe

Produktionsleitung: Rainer Baumert(rbb)

Producer: Steffen Jan Seibel

Redaktion: Søren Schumann, rbb/ARTE, Manuel Tanner, rbb/ARTE, Yvonne von Zeidler Nori, ARTE G.E.I.E.

Inhalt

Das Prinzip ist einfach: Der Zuschauer begibt sich mit Jonas Bosslet auf einen Weg quer durch Berlin (und auch schon mal durch Brandenburg) auf der Suche nach Fragen und Antworten zu großen Themen und großen Gedanken berühmter Philosophen. „Camus: Bestimme dein Schicksal“, heißt die erste Folge. Danach kommen „Lebe für den Ruhm“, „Thoreau: Brich das Gesetz, wenn es gegen die Moral ist“ und „Vereinfache dein Leben“. Dicke Bretter für gerade einmal halbstündige Sendungen.

Bosslet trifft auf diesem Weg Menschen, zumeist nicht prominent, in deren privatem oder beruflichem Umfeld und redet mit ihnen. Zum Thema Freiheit radelt er beispielsweise neben einer Kurierfahrerin her und diskutiert ihren Begriff von Freiheit, den sie unter anderem durch ihre Arbeit auf den Straßen Berlins definiert. Er trifft WissenschaftlerInnen, AussteigerInnen, MusikerInnen. In wenigen Minuten schaffen die kurzen Gespräche und interessanten Einblicke stets ein bisschen mehr Verständnis. So simpel. Dazwischen und am Ende ordnet Bosslet das Gehörte und Gesehene ein, stellt neue Fragen und treibt die Sendung so voran. Wohin? „Was das Ziel ist, ist total egal. Es geht darum, dass es dein Berg ist und dein Weg“, heißt es am Ende der ersten Folge.

Begründung der Jury

Die Macher von „Streetphilosophy“ schaffen es, in den kurzen Folgen tiefe Themen zu behandeln – und das in einem Format, das sonst für seine Oberflächlichkeit bekannt ist. Dass die ZuschauerInnen einem Reporter oder einer Reporterin folgen, wie er oder sie herausfindet, wo es das beste Essen gibt oder wie man die wahre Liebe findet, ist nicht neu. Doch in einer halben Stunde den großen Philosophen und/oder großen Fragen nachzuforschen, das ist außergewöhnlich.

Dabei zelebrieren Reporter Jonas Bosslet sowie die Macher hinter der Kamera, Dominik Bretsch und Simon Hufeisen, im besten Sinne konsequentes Erwachsenenfernsehen: Sie nehmen ihre Zuschauer – die häufig als oberflächlich und entscheidungsunwillig beschriebene Generation Y – ernst. Sie wissen, dass sie ihre Fragen, ihre Thesen nicht in Gänze beantworten oder betrachten können, dafür reicht schon allein die Zeit nicht. Trotzdem blenden sie nicht ständig irgendwelche Erklärgrafiken, Bauchbinden oder Links ein. Selbst dann nicht, wenn GesprächspartnerInnen Begriffe oder Namen einwerfen, deren Bekanntheit nicht vorausgesetzt werden kann. Sie vertrauen darauf, dass der Zuschauer schon selbst in der Lage ist, zu suchen und zu finden, sollte ihm ein Begriff unbekannt sein. „Einfachheit kann eine andere Form von Komplexität sein“, heißt es in einer der vier Folgen, die sich um die Vereinfachung des Lebens dreht. Wie passend.

Außerdem verzichtet „Streetphilosophy“ darauf, die Gesprächspartner lange einzuführen, und schafft es trotzdem, allen gerecht zu werden. Denn häufig nutzt das Format – im Gegensatz zu vielen anderen Sendungen – tatsächlich die verschiedenen Ebenen des Fernsehens. Der Zuschauer erfährt schon viel über die Interviewten, indem er die Umgebung betrachtet, in der sich Reporter und Gesprächspartner treffen: die Wohnung, das Restaurant, die Straße. Es muss nicht alles ausgesprochen, zerlabert werden. Es werden keine Stimmungen herbei geredet, die die Bilder und Protagonisten nicht hergeben. Fernsehen kann man auch fühlen. Das zeigt „Streetphilosophy“.Dazu kommt eine besondere Ästhetik: Die Schwarz-Weiß-Optik ist bei solch einem Format ungewöhnlich, doch sie ist stimmig. Die Bildsprache ist zurückgenommen und dadurch umso wirkungsvoller. Und „Streetphilosophy“ hält, was es verspricht: Es nimmt die Zuschauer mit, auf die Straße, auf eine Reise, die das verdeutlicht, was Philosophie auch ist, eine Suche – auf ungewissem Weg und mit ungewissem Ziel.

 
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