52. Grimme-Preis 2016

Marhaba - Ankommen in Deutschland (n-tv)

Grimme-Preis an

Constantin Schreiber (Moderation und Redaktion)

Produktion: n-tv

Erstausstrahlung: ab Freitag, 25.09.2015, n-tv

Sendelänge: 5’-7’

Stab

Buch: Constantin Schreiber und Jutta Bielig-Wonka

Regie: Constantin Schreiber

Kamera: Lars Beroleit, Matthias Burghardt, Daniel Bischof, Orlando Hoppe, Tom Müller und Sven Weißhuhn

Ton: Wiebke Gürth

Schnitt: Wiebke Gürth, Sonja Ewald, Nik Bäuerle, Markus Achelpohl, Henning Groß, Burkhardt

Redakteur: Constantin Schreiber/Malte Baumberger/ Martina Schlabbers/ Julia Wegeler, Heimann, Oliver Mattutat

Redaktionsleitung: Sonja Schwetje/ Jutta Bielig Wonka

Inhalt

„Marhaba – Ankommen in Deutschland.“ Mit diesem Satz begrüßt Constantin Schreiber die Zuschauer in seiner Sendung. Der Moderator erklärt Menschen, die aus ihrem Land fliehen mussten, jede Woche fünf Minuten lang, wie die Deutschen und ihr Land ticken. Die Sendung ist das erste Videoangebot in Deutschland gewesen, das sich auf Arabisch speziell an Geflüchtete und Zuwanderer aus dem Nahen Osten richtete. Und es ist das erste Projekt, das n-tv zunächst nur für seine digitalen Plattformen produziert hat. Da Schreiber selbst fließend arabisch spricht, werden die Videos auf Arabisch mit deutschen Untertitel produziert – oder umgekehrt, wenn er Interviews auf Deutsch führt. Der Moderator sucht sich zu den unterschiedlichen Themen Menschen, die aus arabischen Länder stammen und selbst Erfahrungen mit der deutschen Kultur gemacht haben. 
Die Themen in den Sendungen sind vielfältig. Es geht beispielsweise um das Grundgesetz, um Religionsfreiheit oder die Rolle der Frau – aber auch um ganz praktische Informationen zum Leben in Deutschland wie deutsche Essgewohnheiten, Freizeitangebote oder Weihnachtslieder.

Begründung der Jury

Jetzt stellen wir uns einmal kurz eine Sitzung bei einem deutschen Privatsender vor. Geschäftsführer und Vermarkter lassen sich vom Programm-Macher berieseln. „Hey, wir machen ein Dutzend Fünf-Minuten-Beiträge und erklären Flüchtlingen auf Arabisch unser Land. Themen sind Sex, Religion und Gleichberechtigung. Wir machen das erst lässig im Netz und später old school im Fernsehen, ach ja, und der Titel ist arabisch...“ Ein Blick des Geschäftsführers zum Werbezeitenchef. Dessen Kopf schlägt bedächtig auf die Tischplatte. Zwei Sekunden betretenes Schweigen. Dann hat sich der Geschäftsführer gefasst: „Eine dufte Idee fürs Erste oder ZDF. Haben wir nicht noch eine schöne Weltkriegsdoku? Oder was mit schweren Baumaschinen?“Beim kleinen Sender n-tv muss es anders gelaufen sein. Der Nachrichtenanbieter hat einem jungen Team um Constantin Schreiber das Budget, die Website und später Programm-Slots für „Marhaba TV“ zur Verfügung gestellt. Schnell und pragmatisch haben die Redakteure klassisches Aufklärungsfernsehen umgesetzt. Journalist Schreiber hat viele Jahre im arabischen Raum gelebt – ein großer Vorteil für die Umsetzung und Glaubwürdigkeit des Formats. Für die Migranten, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, war „Marhaba TV“ eine perfekte Hilfestellung – und das auch noch auf kurzweilige Art und Weise. Das Spektrum der Themen reicht von Parteiprogrammen bis hin zum putzigen Übersetzen deutscher Weihnachtsgedichte ins Arabische. „Marhaba TV“ hat aber immer auch zu aktuellen Fragen Stellung bezogen. Die sogenannten „Ereignisse von Köln“ wurden thematisiert, ebenso der deutsche Karneval – immer schön auch auf Deutsch untertitelt. Denn auch der eine oder andere Biodeutsche könnte Neues über Demokratie und Toleranz erfahren.Klar, die üblichen Pöbeleien von besorgten Bürgern im Netz ließen nicht auf sich warten. Aber das ließ die Kölner kalt. Sie sendeten weiter und legten sogar mit einer deutsch-arabischen Talkshow nach. Der Erfolg gab ihnen Recht. Hundertausende klickten das Angebot im Netz an. Ohne moralischen Überlegenheitssound, aber auch ohne gefühlsduselige Sozialromantik erklärt Constantin Schreiber in klarem Arabisch unsere Werte, Gesetze und Regeln des Miteinanders, während andere „wurzeldeutsche“ Moderatoren gerne schon einmal an ihrer Muttersprache scheitern. Schreiber interviewt junge MigrantInnen, lässt ihre Sicht auf unsere Gesellschaft zu Wort kommen. Zudem stellt „Marhaba TV“ eine kluge Verbindung der Verbreitungswege dar, denn mobile Dienste sind die ersten Informationsquellen der Migranten. Fernsehen soll zudem bilden – das ist eine der Grundideen des Grimme-Instituts. Constantin Schreiber und n-tv haben es verstanden, diese Maxime modern und ohne großes Medien-Tamtam umzusetzen. Sie sind damit auch Vorbild für andere Privatsender, aber sicher nicht nur für diese.

 
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