49. Grimme-Preis 2013

Das Ende einer Nacht (ZDF)

PreisträgerInnen

Magnus Vattrodt (Buch)
Matti Geschonneck (Regie)
Ina Weisse, Barbara Auer (Darstellung)

Produktion: Network Movie
Erstausstrahlung: ZDF, Montag 26.03.2012, 20.15 Uhr
Sendelänge: 90’

Inhalt

Richterin Katharina Weiss erklärt Verteidigerin Eva Hartmann die Situation: „Wir haben einen Angeklagten, dem man alles zutraut, aber nichts beweisen kann. Wir haben eine Zeugin, der man gerne glauben möchte, aber nicht mehr glauben darf.“ Dabei schien die Situation von Beginn an klar. Die Polizei wird ins Haus von Sandra und Werner Lamberg gerufen. Überall Blut an den Wänden, zerstörte und umgeschmissene Möbel. Im Schlafzimmer hat sich die Ehefrau eingeschlossen, weinend und zusammengekauert sitzt sie da. Der Vorwurf: Ihr Mann habe sie vergewaltigt. Sein Motiv: Die Ehefrau wollte sich von ihm trennen, was ihn zur Weißglut trieb. Verteidigerin Hartmann soll Werner Lamberg, den erfolgreichen Düsseldorfer Unternehmer, vor einer Verurteilung bewahren und schafft es auch, die Aussage von Sandra Lamberg in Zweifel zu ziehen. „Bald werden mich alle für das Monster halten“, sagt die Juristin zu ihrem Mandanten. Nachdem der Ehemann aus der Untersuchungshaft freigelassen wird, erhält Richterin Katharina Weiss Notizen, die belegen, dass Sandra Lamberg ihren Mann bereits vor einiger Zeit der Vergewaltigung bezichtig hat. Damals war es eine Lüge. Und jetzt? Ob sie sich die Verletzungen selbst zugefügt hat, weil sich eigentlich ihr Mann von ihr trennen wollte? Ob sie ihn nur deshalb beschuldigt, weil sie nur bei einer Verurteilung seinerseits Anspruch auf das Vermögen haben würde? Lamberg, der Frauenheld, Schmierfink und Macho, bleibt am Ende auf freiem Fuß. Was geschah nun am 7. April? Richterin Weiss stellt gegenüber Anwältin Hartmann ernüchternd fest: „Sie und ich werden das nie erfahren.“ Was zurückbleibt, sind Ungewissheit und Zweifel.

Stab

Produktion: Network Movie
Federführender Sender: ZDF
Buch: Magnus Vattrodt
Regie: Matti Geschonneck
Kamera: Judith Kaufmann
Schnitt: Ursula Höf 
Ton: Maj-Linn Preiß
Musik: Florian Tessloff
Darstellung: Barbara Auer, Ina Weisse, Jörg Hartmann, Matthias Brandt, Christoph M. Ohrt, Katharina Lorenz, Alexander Hörbe, Johann Adam Oest
Redaktion: Reinhold Elschot, Stefanie von Heydwolff

Jurybegründung

Der Film zur aktuellen Debatte: So konnte man das Gerichtsdrama „Das Ende einer Nacht“ beschreiben, als es im März 2012 als Montagsfilm im ZDF seine Erstausstrahlungen feierte. Es war die Zeit, als die beiden großen Vergewaltigungsprozesse um Dominique Strauss-Kahn und Jörg Kachelmann noch immer die Gemüter erhitzten.

Entwickelt haben Regisseur Matti Geschonneck und sein Drehbuchautor Magnus Vattrodt den Plot schon vor den Vorwürfen gegen Kachelmann. Der Fall und die Debatte über den populären Wettermann und später Strauss-Kahn haben sich aber während des Drehs zwangsläufig in den Film eingeschrieben. Das allerdings auf höchst subtile, kühle und reflektierte Art und Weise - hier werden die realen Fälle als Resonanzraum für eine schmerzlich genaue Reflexion über Recht und Gerechtigkeit genutzt.

Der Clou: Die widerstreitenden Positionen über mutmaßliche männliche Gewalt werden in „Das Ende einer Nacht“ von zwei Frauen vertreten. Zum einen ist da eine Strafverteidigerin (Ina Weisse), die auf die Unschuld ihres Mandanten pocht, weil sie das als ihre anwaltliche Pflicht sieht. Mit kühler Präzision nimmt sie die Beweiskette der Anklage auseinander. Zum anderen ist da eine Richterin (Barbara Auer), die dafür bekannt ist, dass sie Männer besonders hart bestraft. Und solche mit Geld und Macht noch härter. Recht, so ihre Botschaft, soll nicht zu kaufen sein.

Weisse und Auer spielen die beiden Kontrahentinnen als kalkulierende Rechtsarbeiterinnen, die keine Trickserei auslassen, um ihre Haltung durchzusetzen. So wird „Das Ende einer Nacht“ zum formvollendeten, angemessen kühl fotografierten Gerichtsdrama, das sich mutig über die üblichen Ressentiments und Happy-End-Konstruktionen in der Primetime des deutschen Fernsehens erhebt. Bis zum Ende des Films, den Geschonneck mit klugen Verweisen auf Otto Premingers Courtroom-Klassiker „Anatomie eines Mordes“ angelegt hat, wird der tatsächliche Hergang des Abends offen gehalten. Eine Zumutung für den Fernsehzuschauer, der es zwar gewohnt ist, dass man ihn emotional durchschüttelt, der dann aber wenigstens mit wiederhergestellten Gewissheiten in den Schlaf geschickt werden will.

„Das Ende einer Nacht“ ist ein rechtsphilosophischer Exkurs über maskulinen Machtmissbrauch, inszeniert als Duell zweier machtbewusster Frauen. So etwas hat man im deutschen TV bislang noch nicht gesehen – von der durchgehend hohen Brillanz des Films mal ganz abgesehen.

 
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