47. Grimme-Preis 2011

Keine Angst (WDR)

PreisträgerInnen

Buch: Martina Mouch
Regie: Aelrun Goette
Darstellung:
Michelle Barthel

Produktion: Tag/Traum, Gerd Haag

Erstausstrahlung: Mittwoch, 10.3.2010, 20.15 Uhr

Sendelänge: 90 Min.

Inhalt

Mit ihren 3 kleinen Geschwistern und ihrer alkoholkranken Mutter Corinna lebt die 14jährige Becky in einer Hochhaussiedlung am Rande der Stadt. Als Becky, die bisher die Rolle des Familienoberhauptes übernahm, dem schüchternen Bente begegnet, beginnt eine zärtliche Liebesgeschichte. Gleichzeitig droht das fragile Familiengefüge auseinander zu brechen.

Begründung der Jury

Mancher mag es nicht mehr sehen: das Elend in den Hartz IV-Haushalten, die Armut der Kinder, die aus sozialer Not geborene Gewalt. Autorin Martina Mouchot und Regisseurin Aelrun Goette haben gegen viele Widerstände einen bewegenden Film aus diesem Milieu gedreht. Ein Film, der unter die Haut geht. Sie zeigen ein Stück Lebenswirklichkeit aus einem Teil der Gesellschaft, der vom Boulevard meist auf rüde Sensationsmeldungen reduziert wird.

Der Mut der ARD, dieses kritische Sozialdrama um 20.15 Uhr auszustrahlen, wurde von fast fünf Millionen Zuschauern honoriert. Anerkennung für einen Film, der genau hinschaut. „Keine Angst“ ist ein Plädoyer für die sieben Millionen Armen in Deutschland, die auf Leistungen aus Hartz IV angewiesen sind, darunter zwei Millionen Kinder. In der fiktionalen Handlung, die dicht an der Wirklichkeit bleibt, werden Schicksale betroffener Kinder gezeigt. 

Im Mittelpunkt steht die 14jährige Becky, die mit ihren drei jüngeren Geschwistern und der alkoholkranken Mutter in einem Plattenbauviertel lebt. Die arbeitslose Frau hat resigniert, lebt noch mal kurz auf, als ein egoistischer Liebhaber auftaucht, schmeißt ihn aber raus, als er sich auch über die Tochter hermacht. Becky übernimmt im Haushalt die Mutterpflichten, versorgt die Kleinen. Unerwartete Zuwendung erfährt sie von dem gleichaltrigen Gymnasiasten Bente, der ihr bei einer Fahrscheinkontrolle aus der Klemme hilft. Zwischen den beiden Halbwüchsigen keimt eine zarte, scheue Liebe. Sie ist der Hoffnungsanker in diesem Film. Obwohl Bente nur wenige Kilometer entfernt wohnt, lebt er mit seinen wohlhabenden Eltern quasi auf einem anderen Stern. So nahe liegen in Deutschland arm und reich beieinander, und doch trennen sie Welten.

Bei aller Brutalität, die nicht ausgespart wird, weidet sich der Film nicht am Elend. Er erzeugt vielmehr ein Gefühl des Zorns und der Solidarität, er aktiviert das Bewusstsein, etwas gegen diese Zustände zu tun. Jederzeit spürbar ist die Intensität dieser fiktionalen Auseinandersetzung mit einem drängenden und bedrängenden Aussschnitt unserer Wirklichkeit.

Die erfahrene Dokumentaristin Aelrun Goette beweist nach den Filmen „Die Kinder sind tot“ und „Unter dem Eis“ hier erneut ihr hochsensibles Gespür für die Arbeit mit Kindern. Herausragend ist das Spiel von Michelle Barthel (Becky) und Carolyn Sophia Genzkow (Beckys Freundin), packend ist die Darstellung durch viele Laien. Zum Gelingen des Films trägt außerdem die kraftvolle, präzise Bildsprache von Kameramann Matthias Fleischer wesentlich bei.

 
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