47. Grimme-Preis 2011

Die Anwälte - Eine deutsche Geschichte (WDR/NDR/rbb/arte)

PreisträgerInnen

Buch/Regie: Birgit Schulz
Schnitt:
Katharina Schmidt

Produktion: Bildersturm Filmproduktion GmbH

Erstausstrahlung: Freitag, 7.1.2011, 21.55 Uhr

Sendelänge: 90 Min.

Inhalt

Anfang der 70er Jahre kämpfen drei linke Anwälte gegen die BRD als restriktiven Staat. Heute ist der eine Bundesinnenminister a.D., der zweite das linke Gewissen der Grünen und der Dritte Rechtsextremist. Heute, 38 Jahre später, gehen sich Otto Schily und Christian Ströbele aus dem Weg, die Nähe zu Horst Mahler meiden sie beide. Ein Film über Lebensträumen, Entfremdungen, Verletzungen und aufgekündigte Beziehungen.

Begründung der Jury

Anfang der 70er Jahre waren sie in einem Gerichtssaal Verbündete, die drei Anwälte Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler. Doch ihre Biografien nahmen sehr unterschiedliche Wege. An diesen Wegen entlang erzählt der Film nicht drei Lebensgeschichten, sondern auch die Geschichte Deutschlands in den vergangenen 40 Jahren.

 

Aus den drei Anwälten der außerparlamentarischen Opposition werden Personen der Zeitgeschichte. Otto Schily wird Minister, Ströbele wird und bleibt Grünen-Politiker, Mahler driftet ab in die rechtsradikale Szene. In ausführlichen Interviews reden die drei über ihre Beweggründe, darüber, was sie von den anderen trennt, wie sie die Lebensleistung des anderen einschätzen und wie sich die politischen Wege trennten.

 

Der Film überzeugt durch seine formale Entschiedenheit, seinen exzellenten Schnitt und eine ruhige, seinem Gegenstand vertrauende Dramaturgie. Aus einer Fülle an dokumentarischem Material wählen die Autoren sehr aussagekräftige Beispiele aus, etwa ein Rededuell Schilys vor dem Gericht in Stammheim. So entfaltet sich in wenigen Minuten ein beeindruckendes Panorama der Geschichte der Bundesrepublik. 

 

So entsteht auf hervorragende Weise Aufklärung über die jüngere deutsche Geschichte, werden Brüche und Widersprüche der Apo-Bewegung wie in einem Brennglas gezeigt, ohne ein Urteil über sie zu fällen. Es ist beeindruckend, wie es Regisseurin Birgit Schulz gelingt, die Aufgeregtheit dieser Zeit aufzunehmen, ohne dabei je die analytische Distanz zu verlieren. Umso mehr, als der Film auf seine drei Protagonisten als Erzähler vertraut. 

 

Der Film kommt den Porträtierten sehr nahe, schafft ein eigentlich unmögliches Gespräch, nämlich das zwischen allen dreien. Der Film visualisiert dieses Trilemma auf sehr subtile Weise, in dem er am Ende einen Tisch mit drei leeren Stühlen in den Gerichtssaal stellt, in dem Mahler interviewt wurde.

 

Da der Film dieses unmögliche Gespräch gewissermaßen virtuell zustande bringt, gewährt er aufregende Einsichten. Stets lässt Birgit Schulz dabei die Frage offen, welchem der drei Protagonisten die Zuschauer am meisten vertrauen sollen. Es bleibt breiter Raum, sich selbst eine Meinung zu bilden und eine eigene Haltung zu den drei Protagonisten zu finden. Auch in der Darstellung des mittlerweile Rechtsextremen Mahler verlässt sich der Film wohltuenderweise auf seine Zuschauer.

 

Dem Film gelingt es zu zeigen, wie die Biografien einzelner und wie die Geschichte zusammenspielen. Wie Menschen Geschichte machen, und wie Geschichte sie verändert.

 
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