53. Grimme-Preis 2017: Auszeichnung für Senta Berger

Die Begründung zur „Besonderen Ehrung“

Senta Berger
Foto: Michael Neuhaus / Grimme-Institut

„‚Jeder ist jemand‘. Das ist der Satz, um den es geht, immer.“ Senta Berger feiert in diesem Jahr ihr 60-jähriges Filmjubiläum: Weltstar, Charakterdarstellerin, Serienkultfigur – sie bietet eine Genrevielfalt, die ihresgleichen sucht, und das in über 100 deutschsprachigen wie internationalen Serien-, Kino- und Fernsehproduktionen. 

Die gebürtige Wienerin, die von 2003 bis 2010 die erste Präsidentin der Deutschen Filmakademie war, beherrscht in herausragender Weise das leichte wie das ernste Spiel. Senta Berger verkörpert starke Frauencharaktere, egal ob als engagierte Staatsanwältin, lebenskluge Taxifahrerin, Gaunerin, Hobbydetektivin, Krankenschwester oder Polizistin – stets stellt sie alle Figuren mit großer Glaubwürdigkeit dar. Mit ihrer beeindruckenden Authentizität verleiht sie den Filmcharakteren ihren ganz persönlichen Ausdruck.

Mit der Figur der Mona, der Freundin des Baby Schimmerlos in der zu Kultstatuts gelangten Serie „Kir Royal“, gelang ihr nach zahlreichen Rollen in internationalen Filmen – unter anderem spielte sie an der Seite von Alain Delon, Kirk Douglas, Frank Sinatra und Yul Brynner – der endgültige Durchbruch im deutschen Fernsehen. Als Kriminalrätin Dr. Eva-Maria Prohacek in der Reihe „Unter Verdacht“ etablierte sie 2002 eine widerspenstige Figur jenseits von Stereotypen. Bereits die erste Folge „Verdecktes Spiel“ wurde mit einem Adolf- Grimme-Preis ausgezeichnet. Einen weiteren Adolf-Grimme-Preis erhielt Berger für ihre Darstellung der unscheinbaren Sachbearbeiterin Rita Böhm im Wirtschaftsdrama „Frau Böhm sagt nein“.

„Senta Berger, sonst eher mit Eleganz und Glamour assoziiert, gibt dieser grauen Vorzimmerdame eine umwerfend überzeugende Mimik und Gestik“, lobte sie die begeisterte Jury. Dem Kammerspiel „Die Konferenz“ aus dem Jahr 2004 – hier spielt sie Direktorin Cornelia Cordes, die gemeinsam mit dem Lehrerkollegium über das Schicksal eines der Vergewaltigung beschuldigten Schülers entscheiden muss – attestierte der Literatur- und Medienwissenschaftler Günter Helmes, dass es „einen wichtigen, aufklärerischen Beitrag zu einem gesellschaftlichen Diskurs von hoher Relevanz“ leiste.

Eine Charakterisierung, die auf viele ihrer Filme zutrifft: „Operation Zucker“ (2012) ist ein solcher Film. Berger spielt die Staatsanwältin Dorothee Lessing, die zunächst nur sehr zögerlich die Ermittlungen der beiden Kommissare zum organisierten Handel und sexuellen Missbrauch von Kindern unterstützt. ZITAT: Aber nicht nur in ihrer Profession, auch durch ihr soziales und politisches Engagement zeigt sie stets Haltung. Aber auch „Und alle haben geschwiegen“ (2012), ein Film über das Schicksal der Heimkinder in den 60er-Jahren in Deutschland, zählt dazu. 

Doch nicht nur als Schauspielerin prägte Berger den Film: 1965 gründete sie gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Michael Verhoeven die Sentana-Filmproduktion. Zu ihren gemeinsam produzierten Filmen gehört auch „Das starke Mädchen“ (1990), für den Michael Verhoeven mit dem Silbernen Bären für die „Beste Regie“ bei der Berlinale ausgezeichnet wurde. Der Film erhielt eine Oscar-Nominierung und gewann den Preis als bester fremdsprachiger Film bei den British Film Academy Awards. Senta Berger setzt sich immer wieder für gesellschaftspolitische und soziale Themen ein. So beteiligte sie sich 1971 an der von Alice Schwarzer initiierten Medien-Aktion „Wir haben abgetrieben!“ und setzte sich 1972 im Wahlkampf für Willy Brandt ein. 

Seit 2003 unterstützt sie das Kinderhilfswerk Plan International und seine Bewegung „Because I am a Girl“, mit der das Kinderhilfswerk gegen die weltweite Ungleichbehandlung von Mädchen vorgeht. Seit 2009 ist sie als Botschafterin sowohl für die Tierschutzorganisation Pro Wildlife für den Schutz von Menschenaffen als auch für die José Carreras Leukämie-Stiftung tätig. 1999 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. „Der Staat bin ich, also wir. Und wenn du das irgendjemandem überlässt, einer kleinen oder großen Gruppe, dann habe ich das Gefühl, das ist gar nicht mein Land. Ich möchte wissen, was geht hier vor?“, so die politisch engagierte Schauspielerin.

Oft sei sie gefragt worden, was sie zu Syrien, Flüchtlingen, Putin oder der Ukraine meine. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist so schwierig, auch für die Politiker, die richtigen Worte dafür zu finden.“ Die Dinge seien so sehr in Bewegung, dass man nur mit Anstand auf die Situation reagieren könne, die sich jeweils ergebe: „Wir wissen alle nichts.“ so Senta Berger in einem Interview, das sie anlässlich ihres 75. Geburtstages dem Deutschlandradio gegeben hat. „Mit Anstand durch das Leben zu kommen“, lautet ihre Lebensdevise. Dazu gehört für sie auch: „Man muss sich die Zeit nehmen und die Mühe machen zu differenzieren.“

In einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen zitierte sie kürzlich einen Satz George Taboris, dessen Theaterstück „Mutters Courage“ ihr Mann 1994 verfilmt hat. Ein Satz, der für sie der Inbegriff für Fairness ist, etwas, das ihr in der Erziehung ihrer Kinder stets sehr wichtig war: „‚Jeder ist jemand.‘ Das ist der Satz, um den es geht, immer“, so Senta Berger.

Mit Senta Berger zeichnet der Deutsche Volkshochschul-Verband eine Schauspielerin aus, die nicht nur durch ihr schauspielerisches Können, sondern auch durch die Vielfalt ihrer Rollen das Fernsehen geprägt hat. Aber nicht nur in ihrer Profession, sondern auch durch ihr soziales und politisches Engagement zeigt sie stets Haltung und eine – im besten, vielleicht sogar in einem altmodischen Sinne des Wortes – Anständigkeit, die ihresgleichen sucht. 

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