59. Grimme-Preis 2023

smypathisch

(whylder für funk)

 

Grimme-Preis an:

Marie Lina Smyrek (Creatorin/Host)

 

Produktion: Lukas Schneider

Erstveröffentlichung: funk, ab Montag, 13. April 2022, 18.30 Uhr

Sendelänge: je 2 - 3 Minuten

 

Inhalt:

Gehen wir doch direkt mal rein. Gute Nachrichten für Tom Buhrow: Wir können noch kürzer. Keine drei Minuten braucht „smypathisch“ für gute und für schlechte News. Auch das Bild kostet nicht viel: zwei blaue Augen und ein Mund, der in bester Carollscher Grinsekatze-Manier im Unsichtbaren bleibt. Fast. Besser ist das.

Eine Nase gibt's hier nicht. Einen Riecher für Themen und Tempo schon. „smypathisch“ ist so präzise getaktet wie getextet. Ein wörtlicher-wöchentlicher Rundumschlag, quer durch Pop, Politik, Prominente und Populäres. Weitere Worte mit P, die passen: Palaver, Performance, Peinlichkeiten, progressiv. Damit aber nicht genug. „smypathisch“ ist der TikTok- Kanal von Marie Lina Smyrek, auf dem eine neue Bewegtbild-Kultur Fahrt aufnimmt. Wochenrückblick, Monatsrückblick, Jahresrückblick: Themen wie Merkels Wohlfühltermine, die arrogantesten Studiengänge oder Sternzeichen bespricht Smyrek in fast pausenlosem Redefluss – wenn Zäsur, dann bedacht, pointiert und zum Genießen. Dabei ist Smyrek alleinige Herrscherin über Wort, Bild und Schnitt. Wo? Überall. Jederzeit. Bei TikTok, funk und YouTube Shorts.

 

Begründung der Jury:

„smypathisch“ kommt so überraschend leichtfüßig und lustig in unseren Sichtraum geflattert, dass alle sofort begeistert sind. Dicht gefolgt von ein paar Fragezeichen angesichts des Paradoxons, das wir so auf TikTok bisher noch nicht gesehen haben. Die App, auf der alle möglichst gut gefiltert mit ganzem Körpereinsatz und jedem Mittel versuchen Millionen Klicks zu erreichen – genau hier aber sehen wir plötzlich nur einen isolierten Mund und zwei isolierte blaue Augen, alles gerahmt in tiefstem Schwarz. Absolute Reduktion. Und Smyrek wagt sie, diese radikale Form, und vertraut ihr – und wir ihr, werden von diesen Augen, diesem Mund magisch angezogen, folgen andächtig und aufmerksam ihrer Stimme. In dem „Lärm“, der uns sonst aus TikTok entgegenschwallt, sind wir plötzlich auf einer Insel gelandet. Einer Insel, auf der wir gebannt dem atemberaubenden Tempo von Smyrek lauschen, Zeug:innen werden, wie sie in kurzen scharfen Abhandlungen die Fragwürdigkeiten der Woche Revue passieren lässt. Schlagzeilen und Superlative werden von ihr in diesem soghaften schwarzen Schaukasten aus Mund und Augen in knappsten Ton- und Bildcollagen auf den Boden des ernüchterten Wortes zurückgeholt. Wortneuschöpfungen, Alliterationen, das Spiel mit der Bedeutung von Wörtern, Smyrek liebt die Stilmittel der Rhetorik und spielt mit ihnen auf semantischer und syntaktischer Ebene in ihrer „Kommentier-Show“. Vielleicht hat Smyrek das perfekte Smartphone-Format kreiert – das, wonach alle immer suchen, geht ihr spielerisch von der Hand. Stellt sich die Frage: Ist ein Smartphone ein Fernseher? Sicher nicht in der klassischen Vorstellung eines großen Apparats im Wohnzimmer. Aber auch hier ist nicht der Ausspielweg entscheidend, sondern der Inhalt.

Marie Lina Smyrek hat mit „smypathisch“ ein Format von einzigartiger Stilistik und Originalität geschaffen, dass zur Weiterentwicklung der audiovisuellen Kultur beiträgt und mehr als die junge Zielgruppe im Auge hat.

Das große Learning daraus: Ein Witz ist dann ein Witz, wenn er witzig ist. Danke. Starke These aus der Jury: Solche Leute werden den öffentlich-rechtlichen Rundfunk retten. Muss jeder selbst wissen. Slay.

 
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