58. Grimme-Preis 2022

Grimme-Preis Spezial an Petra Boberg und Christine Rütten

… für die Konzeption und Realisation der Doku-Reihe "Am Limit?! Jetzt reden WIR!" (hr).

 

Erstausstrahlung/-veröffentlichung:
HR, ab Sonntag, 23. Februar 2021, 21.00 Uhr

Lauflänge: 6 x 14 – 20 Minuten

 

Inhalt

In dieser Doku-Serie kommen endlich die zu Wort, die in der Pandemie kaum gehört wurden: die Kinder und Jugendlichen! Und das in Eigenregie, authentisch, offen und ehrlich, crossmedial konzipiert und plattformübergreifend zugänglich.

Die Journalistinnen Petra Boberg und Christine Rütten haben das Konzept für „Am Limit?! Jetzt reden WIR!“ entwickelt. Grundlage dafür war die Fragestellung, wie die Lebenswirklichkeiten von Schüler:innen in der Pandemie aussehen und wie es gelingen kann, dass sie selbst von ihrem Alltag in der Pandemie erzählen. Lebenswirklichkeiten werden hier im Plural genannt, weil Schüler:innen eben keine homogene Gruppe darstellen. Es gibt Kinder, die in eher privilegierten Verhältnissen leben, und solche, die sich in der Pandemie noch weiter abgehängt fühlten.

Schüler:innen wurden dazu aufgerufen, sich zu melden und von ihren Erfahrungen im Lockdown zu berichten: „Schickt uns Eure Videos! Wir wollen wissen, wie es Euch geht.“ Die so gefundenen Protagonist:innen filmten ihren Alltag im Selfie-Modus, sie wurden selbst zu Reporter:innen, interviewten Gleichaltrige oder auch ihre Eltern. In sechs Folgen kommen Schüler:innen von der fünften Klasse bis zum Abitur zu Wort. Auf Grundlage desselben Konzeptes wurden in weiteren Folgen in der zweiten Staffel auch Auszubildende und Studierende begleitet. Diversitätssensibel und mit größtmöglicher Offenheit werden auch Themen wie Einsamkeit, Sexualität und Partnerschaft unter den Bedingungen der Pandemie Raum gegeben.

 

Begründung der Jury

Der Grimme-Preis Spezial in der Kategorie Kinder und Jugend zeichnet die Journalistinnen Petra Boberg und Christine Rütten für die sensible, zielgruppenorientierte und crossmedial ausgerichtete Konzeption der Doku-Reihe „Am Limit?! Jetzt reden WIR!“ aus. Basis für die innovative Erzählweise ist eine sorgsame Recherche und der Blick für die spezifischen Anforderungen an verschiedene Plattformen wie Radio, TV, Social Media und die Mediatheken. Das Ergebnis zeigt, dass eine Verbreitung über Social Media vom Team des HR geplant war, es wirkt nicht wie ein Nebenprodukt des Fernsehformats. So kann die Zielgruppe, die laut KIM-Studie Fernsehgeräte, Smartphones, Internetzugänge und das Radio in den Haushalten zur Verfügung hat (Quelle: KIM 2020, Medienausstattung im Haushalt 2020), optimal erreicht werden. Crossmediale Konzepte sind gerade für die jüngere Zielgruppe kein l'art pour l'art-Phänomen, sondern hier geht die Chance auf größtmögliche Öffentlichkeit und Reichweite Hand in Hand mit dem Wunsch, eine zeitgemäße Ansprache für die Zielgruppe zu finden.

Schnörkellose Bilder, mit dem Handy aufgenommen, geschnitten mit zusätzlich gedrehtem Material, das fassen wir hier unter dem schönen Begriff „authentisch“ zusammen. Aber natürlich spiegelt diese Umsetzung für uns auch die Ressourcenknappheit und ein enges Zeitbudget wider. Es braucht enormes Engagement, um daraus erfolgreich eine Serie aus einem Guss zu machen.

Die Folgen von „Am Limit?! Jetzt reden WIR!“, die unsere Jury besonders begeistert haben, sind keine Filme über junge Menschen, sondern von, mit und für junge Menschen. Die Zielgruppe partizipiert, anstatt zu rezipieren. Dramaturgisch endet jede Folge mit einem positiven Ausblick oder einer tröstenden Erkenntnis. Das rührt an und macht gleichzeitig Mut: Soumia und Illayda hoffen darauf, bald wieder zur Schule gehen zu können, Elias bekommt seinen Ausbildungsplatz und Marvin und Tom schaffen ihren Abschluss. Fast alle Protagonist:innen stellen fest, dass sie durch die besondere Krisensituation stärker geworden sind, dass Werte wie Gemeinschaft und Freundschaft, Beziehungen (sogar zu ihren Lehrer:innen) einen höheren Stellenwert bekommen haben.

Boberg und Rütter ist es gelungen, mit ihrem Konzept ganz nah an die Zielgruppe zu kommen, indem sie aus der Not eine Tugend machten und mit „youth-user-generated content“ den Kindern und Jugendlichen in der Coronazeit eine Stimme gaben. Die, die in dieser Pandemie auf so viel verzichtet haben, oft nicht gesehen wurden und fast immer hintenanstehen mussten, haben ein Recht darauf, dass wir ihnen zuhören, nicht nur in Krisenzeiten! Wie Ida sagt: „Wir können politisch denken, wir haben was zu sagen, wir sind auf dem neusten Stand, daher kann man uns auch fragen und einbeziehen!“ Petra Boberg, Christine Rütten und ihre Redaktion im HR haben das getan.

Damit haben sie nicht nur eine herausragende Doku-Serie angestoßen, sondern auch ein Zeitdokument geschaffen, das über den Zeitpunkt der Ausstrahlung hinausweist. Gerne mehr davon!

 
Zurück