58. Grimme-Preis 2022

Charité intensiv: Station 43

(DOCDAYS Productions für rbb)

 

Grimme-Preis an

 

Carl Gierstorfer (Buch/Regie/Bildgestaltung)

Mareike Müller (Buch)

Ronald Rist (Montage)

Antje Boehmert (Produktion)

Ute Beutler (Redaktion)

 

Erstausstrahlung/-veröffentlichung:
ARD Mediathek, ab Mittwoch, 31. März 2021, 20.00 Uhr

Lauflänge: 4 x 30 – 34 Minuten

 

Inhalt

Einem wird ein Blutgerinnsel aus der Lunge abgesaugt. Einer wird auf den Bauch gedreht, damit er besser atmen kann. Eine Frau, Mutter, Freundin, Schwester stirbt. Ein Mann, Vater, Bruder, Freund stirbt. Ein anderer kann nach Wochen wieder für ein paar Sekunden sitzen, später gar gehen.

Operiert, gepflegt, verarztet und getröstet werden die Menschen vom Team der Intensivstation 43: Während des Coronawinters 2020/21, als Intensivbetten knapp wurden und wegen der noch fehlenden Impfungen schwerste Krankheitsverläufe zu beobachten waren, arbeiteten die Mediziner:innen an der Berliner Charité (wie überall auf der Welt) am Limit. Die Kapitel, in die Regisseur Carl Gierstorfer seine Dokumentation gegliedert hat, stehen symptomatisch für die Situationen und Momente, mit denen Patient:innen und Ärzt:innen gleichermaßen konfrontiert werden: „Sterben“, „Kämpfen“, „Hoffen“, „Glauben“. Wie eng diese Dinge miteinander verbunden sind, wird durch die intensiven Erfahrungen der Beteiligten deutlich.

Nah, aber nie aufdringlich beobachtet das Filmteam Dramen und Chancen und lässt die Handelnden selbst erklären, was sie tun und empfinden. „Charité intensiv“ konserviert ein Stück Krankenhausalltag während einer überhaupt nicht alltäglichen Pandemie. Und erzählt, nebenbei, Geschichten von wahren Held:innen.

 

Begründung der Jury

,,Es wird alles gut‘‘, sagt die Intensivmedizinerin zu ihrem Patienten, bevor sie ihm einen kleinen Schlauch in den Körper schiebt. Die Angehörige eines Stationsnachbarn wird dagegen aufgefordert, sich von ihrem Mann zu verabschieden. Dabei hat sie ihm kurz vorher ebenfalls versichert: „Es wird alles gut.“ Für den einen geht das Leben weiter. Für viele andere das Sterben.

Wie sehr der medizinische Sektor von den Folgen der Pandemie betroffen ist, war von Beginn im Jahr 2020 an klar: Die Ärzt:innen und Pflegekräfte arbeiten unter großer psychischer und physischer Belastung mit ansteckenden Erkrankten, ihr Risiko, selbst zu erkranken, ist hoch. Mit steigenden Patient:innenzahlen stieg aber nicht nur das Ansteckungsrisiko, das die Arbeit für Pflegekräfte mit ihrer Privatsphäre vernetzt, sondern auch die Verantwortung, die Schwere, die emotionale Herausforderung.

Carl Gierstorfers für den rbb produziertes Format „Charité intensiv“ beobachtet sachlich den Alltag im Krankenhaus in einer nicht alltäglichen Zeit. Die Serie dokumentiert einerseits die Selbstverständlichkeit unseres Gesundheitssystems, veranschaulicht andererseits aber auch seine Anfälligkeit – die Mediziner:innen und Pflegekräfte versuchen Übermenschliches zu leisten, denn das Virus ist stärker als viele Menschen, und Medikation sowie Technik haben Grenzen.

Mit zurückhaltendem, achtungsvollem Blick begleitet der Regisseur eine Handvoll Mitarbeiter:innen, Ärzt:innen und Kranke an einem der größten europäischen Krankenhäuser beim täglichen Kampf um Gesundheit, um Leben. Diese Auswahl steht dabei stellvertretend für die karitative Pflege und den medizinischen Alltag in Krankenhäusern und Intensivstationen auf der ganzen Welt.

Vermutlich, hoffentlich werden irgendwann einmal, wenn die Pandemie „vorbei“ (oder auch nur beherrschbar geworden) ist, all die Traumata aufgearbeitet, die mit ihr kamen. Dazu wird sich an ihre verschiedenen Etappen erinnert werden müssen. „Charité intensiv“ hat in viermal 30 Minuten eine der schlimmsten Phasen der Pandemie konserviert, indem die Serie sowohl die Gefühle als auch die medizinischen Erfahrungen, Lehren und Entscheidungen festhält. Diese im wahrsten Wortsinn „intensiven“ Dokumente werden dazu beitragen, unser Bild, unseren Umgang mit Corona und dessen Folgen anzupassen, sie im Rückblick zu evaluieren. „Charité intensiv“ wird uns immer daran erinnern, dass Leugnen niemandem hilft, dass Beten vielleicht manchen hilft, dass die richtige Therapie und die nötige Geduld und Ausdauer Leben retten können und dass eine funktionierende Gesundheitsversorgung von großer Bedeutung ist: Sie bildet das Rückgrat einer gesunden Gesellschaft.

 
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