57. Grimme-Preis 2021

15 Minuten Joko & Klaas – Männerwelten

(Florida Entertainment für Pro7)

 

Grimme-Preis an

 

Thomas Martiens (Idee/Buch)

Thomas Schmitt (Idee/Buch)

Claudia Schölzel (Idee/Buch)

Sophie Passmann (Moderation/Idee/Buch)

 

Erstausstrahlung/-veröffentlichung:
ProSieben, Mittwoch, 13.05.2020, 20.15 Uhr

Lauflänge: 15 Min.

 

Inhalt

Sophie Passmann führt durch die Kunstausstellung „Männerwelten“ des „Museum of Masculine Art“. Die eigentlichen Hosts der Sendereihe „15 Minuten Joko & Klaas“ treten diesmal nicht in Erscheinung, sondern überlassen die erspielte Sendezeit einem rein weiblichen Cast. Neben Passmann, die die Zuschauer*innen begrüßt und in den Gängen der Ausstellung mal ironische, mal ernste Anmerkungen zur Rape Culture macht, wirken auch weitere Prominente an der Ausstellung mit.

Palina Rojinski enthüllt ein Penisfoto, das ihr ungefragt zugeschickt worden ist, und äußert ihre Abscheu, während sie mit Passmann an einer Galerie zahlreicher weiterer kuratierter Dick-Pics entlangläuft. Jeannine Michaelsen, Visa Vie und Stefanie Giesinger lesen sexistische Kommentare vor, die sie in den sozialen Medien erhalten. Katrin Bauerfeind und Collien Ulmen-Fernandes spielen in einer Kunstperformance übergriffige Chatverläufe nach.

Anschließend kommen auch Opfer sexueller Belästigung außerhalb des Internets zu Wort. In einem düsteren Raum erklingen die Erfahrungen belästigter Frauen. An der letzten Station der Ausstellung stehen statt der Frauen nur noch Schaufensterpuppen im Raum, während Frauenstimmen erklären, dass sie in den gezeigten Outfits vergewaltigt wurden.

 

Begründung der Jury

„Hoffen wir das Beste“ – erneut. Auch zu Beginn der fünften Ausgabe von „15 Minuten Joko & Klaas“ ist eines wieder gewiss: die Ungewissheit. Sicher ist am 13. Mai 2020 zur ProSieben-Primetime mal wieder gar nichts.

Allzu schnell wird diese Ungewissheit nicht aufgelöst: Wenn Sophie Passmann die Zuschauer*innen begrüßt und den Grusel der folgenden 15 Minuten ankündigt, ist nicht abzusehen, ob sie voller Ironie unterhaltsamen Quatsch anmoderiert oder ihre Warnung ernstmeint. Dass sie sich einem sehr ernsten Thema widmet, wird erst im Laufe der knappen Viertelstunde deutlich – eine Rezeptionserfahrung, für die es sich lohnt, um 20:15 Uhr den Fernseher aufzusuchen.

Doch unabhängig von Art und Weise der Rezeption beeindruckt „Männerwelten“ durch die Inszenierung: Inmitten eines Frühlings der Museumsschließungen findet auf ProSieben eine Kunstausstellung statt. Begleitet von fast schon klischeehaft wirkender Klaviermusik beginnt die Ausstellung mit der Enthüllung eines Dick-Pics („Und das kriegst du einfach zur Verfügung gestellt vom Künstler selbst?“), doch der satirische Unterton weicht zunehmend: Die Dramaturgie der Sendung steigert sich von Fällen digitaler Gewalt gegen Frauen hin zu Schicksalen von Frauen in ihrem realen Umfeld – bis die Dramaturgie im letzten Raum der Ausstellung ihren bedrückenden Höhepunkt erreicht, als Vergewaltigungserfahrungen wiedergegeben werden. Der anfangs noch angedeutete Humor weicht recht schnell einer beklemmenden Schwermut, die über das Ende der Sendung hinausreicht.

„Männerwelten“ gelingt es, Erfahrungen sexueller Gewalt schonungslos wiederzugeben, ohne Opferinszenierung zu betreiben, ohne zu gaffen. Die spärliche visuelle Umsetzung in dunklen Räumen und Gängen unterstreicht das beklemmende Gefühl, das insbesondere die vielen verbal erzählten Gewalttaten hinterlassen. Passmann bedient sich auch ironischer und sarkastischer Mittel, thematisiert die Lebensrealität von Mädchen und Frauen dennoch ernsthaft. Ob nachts auf dem Heimweg oder allein im Park: Ihre Schilderungen der Ängste, die Frauen im Alltag belasten, öffnen auch dem männlichen Publikum die Augen. Die akustisch wie visuell düstere Atmosphäre der Sendung lässt nur erahnen, wie unheimlich etwa der unbegleitete Aufenthalt in der Öffentlichkeit gerade für Frauen sein kann.

Ganz am Rande unterstreicht die Sendereihe einmal mehr, welche Faszination lineares Fernsehen entfalten kann, wenn das Publikum nicht weiß, worauf es sich einlässt. Und so ist „Männerwelten“ nicht bloß eine dramaturgische und inszenatorische Steigerung der bereits im Vorjahr ausgezeichneten Reihe.

 
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