55. Grimme-Preis 2019

Spezial für Erol Yesilkaya (Buch) und Sebastian Marka (Regie)

Grimme-Preis Spezial an

Erol Yesilkaya (Buch) und Sebastian Marka (Regie)

für

den spielerischen Umgang mit dem Format Tatort und die Einbettung in einen cineastischen Kontext beim Tatort: Meta (Wiedemann & Berg Television für RBB)

 

Produktion: Wiedemann & Berg Television

Erstausstrahlung: Das Erste, Sonntag, 18.02.2018, 20.15 Uhr

Sendelänge: 89 Min.

 

Stab

Buch: Erol Yesilkaya

Regie: Sebastian Marka

Kamera: Willy Dettmeyer

Schnitt: Sebastian Marka, Carsten Eder

Ton: Bernhard Joest-Däberitz

Musik: Thomas Mehlhorn

Darstellung: Meret Becker, Mark Waschke, Ole Puppe, Fabian Busch, Simon Schwarz, Werner Daehn, Isaak Dentler, Stephan Grossmann, Carolyn Genzkow, Tim Kalkhof, Louie Betton, Marie Anne Fliegel, Nele Schepe, Lilly Joan Gutzeit, Cynthia Micas, Ygal Gleim-Sroussi, Ahmed Chaer, Lorenzo Patané, Francesco Aquaro u.a.

Produzenten: Nanni Erben, Max Wiedemann, Quirin Berg

Redaktion: Josephine Schröder-Zebralla (RBB)

 

Jurybegründung

„Der Film hat Recht!“ In einer Szene stehen Rubin und Karow vor einer Leinwand im Kino und werden Zeuge von Ereignissen, die frappierend denen in ihrem eigenen aktuellen Fall ähneln. Die Fernsehkommissare können den Filmkommissaren auf der Leinwand zuschauen, wie diese wiederum ebenfalls Kommissaren dabei zuschauen, wie diese dem abgetrennten Finger bis zu einem Komplott in höhere Etagen des Innenministeriums folgen. Eine aberwitzig anmutende Film-im-Film-im-Film-Konstruktion, die sofort in sich zusammenfallen würde, hätte sich auch nur der kleinste Fehler hineingeschlichen.
Doch hier stimmt einfach alles: Das perfide schlaue Drehbuch von Erol Yesilkaya und die virtuos verspielte Inszenierung von Sebastian Marka legen Kino-Fiktion und „Tatort“-Realität derart einfallsreich übereinander, dass der Zuschauer bald nicht mehr weiß, auf welcher Wirklichkeitsebene er sich eigentlich gerade befindet. Alles totaler Schmu oder höhere Wahrheit? Letzteres, definitiv. Dieser „Tatort“ ist nicht darum bemüht, die Wirklichkeit abzubilden, sondern eine eigene Form der Wirklichkeit aus dem Mythenschatz des Kinos zu schaffen. Hier sind zwei Kenner am Werk, die die Klassiker der Filmgeschichte genauso studiert haben wie B-Movie-Absonderlichkeiten.
Man stellt sich Yesilkaya und Marka, die beiden Genre-Akrobaten des deutschen Fernsehkrimis, die immer als Duo arbeiten, als Mega-Film-Nerds vor, die in ihrer Jugend viel zu viele einsame Nächte vor dem Video- und DVD-Player verbracht haben – und nun endlich Kapital aus diesen Nächten schlagen: Wie sie in „Meta“ mit Selbstironie und Stilwillen in Kommissar Karow den „Taxi Driver“ zum Leben erwecken, um ihn dann zum bedrohlich schwelenden Original-Soundtrack von Bernhard Herrmann durch suggestiv ausgeleuchtete Straßen rollen lassen, verleiht diesem „Tatort“ eine cineastische Pracht. Und Waschke muss sich keinen Irokesen-Haarschnitt rasieren, um seine Einsamkeit und Wut nachvollziehbar zu machen. Er legt einen wahren Höllenritt durch Berlin hin.
Ist das noch Fernsehunterhaltung oder schon Arthouse-Kino? Eben beides. „Meta“ spielt mit Formaten, wirbelt sie durcheinander, baut sie in neuer Ordnung wieder auf. Darin liegt der Zauber: dass hier liebevoll der „Tatort“ samt seiner Ermittler-Malocher zerlegt wird, um diese Ermittler-Malocher dann als fast schon mythische einsame Wölfe zu inszenieren. Und das gelingt nur, weil Yesilkaya und Marka bei allem cinephilen Checkertum das Genre TV-Krimi ernst nehmen – und die Ermittlerfiguren aus ihrer Berliner Erdung heraus zu Überlebensgröße auflaufen lassen. Großes „Tatort“-Kino.

 
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