53. Grimme-Preis 2017

stark! – Ibrahim und Jeremia. Brüder auf Zeit (ZDF)

Grimme-Preis an

Maike Conway (Buch/Regie)

Produktion: Tellux-Film GmbH

Erstausstrahlung: So, 11.12.2016, 08:35, KiKA

Sendelänge: 15 Minuten

Stab

Buch: Maike Conway

Regie: Maike Conway

Kamera: Tobias Tempel

Schnitt: Hauke von Stietencron

Redaktion: Anne Dybowski, Leitung der Sendung Eva Radlicki (ZDF)

Inhalt

Die Geschichte von Ibrahim und Jeremia beginnt mit einer Flucht vor dem Krieg in Aleppo und führt Ibrahim und seine Familie in die Türkei, wo Ibrahim sich von seiner Familie trennen muss. Von dort flüchtet er allein weiter nach Deutschland, bevor er in der Familie von Jeremia im Süden Deutschlands eine neue – wenn auch eventuell nur vorübergehende – Heimat findet. Jeremia und Ibrahim verstehen sich gut und fühlen sich wie „richtige Brüder“.

Begründung der Jury

„Ibrahim und Jeremia – Brüder auf Zeit“, was sich hinter diesem neugierig machenden Titel verbirgt, könnte schnell weit über das Verständnis von Kindern hinausgehen. Maike Conway ist es jedoch hervorragend gelungen, die – auch für viele Erwachsene schwierigen Themen Krieg und Flucht kindgerecht in einen nur gut fünfzehnminütigen Film zu vermitteln. Dieser beginnt mitten in einer Geschichte über Integration, weder der Krieg noch die Flucht selbst werden zur Diskussion gestellt. Stattdessen zeigt der Film auf angenehm unaufgeregte Weise die Geschichte zweier Jungen, die sich näherkommen und als „Brüder auf Zeit“ fühlen. Mit der Art der Auseinandersetzung mit dem Thema, das so in kaum einer Debatte der Öffentlichkeit präsent ist, gelingt es dem Film, alle in der Marler Gruppe vertretenen Altersklassen anzusprechen.

Eine große Stärke des Beitrages ist der vollständige Verzicht auf Off-Kommentare, stattdessen kommen fast ausschließlich Ibrahim und Jeremia zu Wort. Ein komplexes Thema wird mit einer wunderbaren Einfachheit begrenzt, ohne zu simplifizieren. Das macht den Film sehr authentisch und unterstreicht, dass gutes Kinderfernsehen nicht nur von Kindern handelt, sondern auch mit ihnen gemacht wird. Dabei machen es die beiden Protagonisten mit ihrer Natürlichkeit der Autorin und Regisseurin Maike Conway leicht: Ibrahim beeindruckt mit seiner Ernsthaftigkeit und einem Blick, der von seinen Erfahrungen geprägt ist, während Jeremia mit seiner Spontanität den Film bereichert.

Es gelingt dem Film, seinen Inhalt mit natürlichen aber starken Bildern zu unterstreichen: Wenn der Zuschauer einen Blick in Ibrahims Vokabelheft wirft, in dem Wörter wie „Desinteresse“, „Illegal“, „Intoleranz“ und „Misstrauen“ ganz oben stehen oder wenn Ibrahim den Weg seiner Flucht in einem Schulatlas zeigt. Spätestens wenn die aufgeschlagene Europakarte nicht mehr ausreicht und eine Weltkarte hervorgeholt werden muss, erschließt sich einem jungen Publikum die Länge der Fluchtstrecke deutlich besser, wird sie bewusster als bei den Karten in den Nachrichtensendungen. Diesen nachdenklichen Momenten werden immer wieder aber auch unbekümmerte Momente kindlichen Charmes gegenübergestellt, so etwa, wenn Jeremia entsetzt klar wird, dass er noch sieben Jahre die Schule besuchen muss. 

Die Marler Gruppe fand besonders Gefallen daran, dass dieser Film aus der Perspektive der Kinder erzählt wird. So werden Probleme wie Heimweh, Albträume, Ausgrenzung von anderen Kindern oder auch schwieriger Schulstoff glaubwürdig und authentisch thematisiert. Insgesamt überzeugt der Beitrag, weil er sich für die ganze Familie eignet und – ohne für Kinder kompliziert zu sein – jede Altersklasse auf eigene Weise anspricht. 

 
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