50. Grimme-Preis 2014

Zeit der Helden (SWR/ARTE)

PreisträgerInnen

Beate Langmaack (Buch)

Daniel Nocke (Buch)

Kai Wessel (Regie)

Volker Heise (Idee und Konzeption)

Thomas Kufus (Idee und Konzeption)

Martina Zöllner (Idee und Konzeption)

Julia Jäger (Darstellung, stellv. für das Ensemble)

Oliver Stokowski (Darstellung, stellv. für das Ensemble)

Produktion: zero one film GmbH

Erstausstrahlung: Montag, 25.03.2013, 20.15 Uhr, ARTE

Sendelänge: 45 Min./30 Min.

Inhalt

Die Brunners sind eine durchschnittliche deutsche Familie: der 46-jährige Elektroinstallateur Arndt, seine 45-jährige Frau Mai, der gemeinsame 14-jährige Sohn Ben und Mais 18-jährige Tochter Paulina, die von Arndt adoptiert wurde, als sie ein Jahr alt war. Mai hat die beiden Kinder mit viel Liebe großgezogen. Arndt versorgt die Familie und liebt beide Kinder, auch wenn er sie nicht ganz versteht. Er hat viel gearbeitet, ein Haus gekauft mit Garten. Jetzt ist Paulina ausgezogen und Ben würde es ihr gerne gleichtun. In der Nachbarschaft wohnt ein kinderloses Ehepaar, der selbstständige 43-jährige Lichtgestalter Gregor und die 42-jährige Sandra, Managerin bei einem großen Spielzeughersteller. Ihr gemeinsamer Freund Christoph ist ebenfalls 43 und verbringt viel Zeit mit den beiden, die er als eine Art Ersatzfamilie betrachtet. Gemeinsam geht es in den Skiurlaub, auf Partys und in exklusive Wochenenden. Auch dieses Ostern ist eine gemeinsame Urlaubsreise geplant, zu der Christoph Studentin und Escort-Dame Katharina mitnimmt. Doch in dieser Osterwoche wird ein Erdbeben im Leben der zwei Familien ausgelöst. Es beginnt um 20.16 Uhr am 25. März 2013. Arndt und Mai erwarten Gregor und Sandra, die ihren Hausschlüssel vorbeibringen sollen, da sie mit Christoph in den Skiurlaub fahren wollen. Ben sitzt oben in seinem Zimmer am Computer und will nichts mit den Erwachsenen zu tun haben, während Paulina in einem Altenheim in Karlsbad arbeitet. Christoph, der es satt hat, alleine zu sein, lernt Escort-Dame Katharina kennen, die er in den Skiurlaub mitnehmen will.

Stab

Produktion: ARTE, SWR, zero one film GmbH

Federführender Sender: ARTE/SWR

Buch: Beate Langmaack, Daniel Nocke

Regie: Kai Wessel

Kamera: Nicolay Gutscher

Schnitt: Tina Freitag, Ingo Ehrlich

Ton: Joachim Holbeck

Darstellung: Julia Jäger, Oliver Stokowski, Jasna Fritzi Bauer, Karl Alexander Seidel, Thomas Loibl, Inka Friedrich, Patrick Heyn, Palina Rojinski

Redaktion: Andreas Schreitmüller, Kornelia Theunek, Martina Zöllner, Ulrich Herrmann

Jurybegründung

Ein “Echtzeit-Experiment” wurde mit dieser bezaubernden neunteiligen Familienserie gewagt: Sie erzählt von durchschnittlichen Menschen in einer Lebensphase, die man “Midlife-Crisis” nennt. Und sie erzählt das mit einer Dramaturgie, in der die erzählte Zeit der realen Lebenszeit entspricht, die bei der Ausstrahlung in der Osterwoche letzten Jahres auch mit der jeweiligen Tageszeit identisch war. Fünf Abende sind das gewesen, an denen für die Figuren wie für die Zuschauer derselbe Zeitraum von 30 bzw. 45 Minuten verstrichen ist.

Und was passiert, wenn man ein solches Experiment zu sehen bekommt, in dem ja schon von der strukturellen Anlage her nicht mehr geschehen soll als das, was dem begrenzten Zeitrahmen der Echtzeit-Episoden entspricht, in denen kein Raum für Rückblenden, Zeitsprünge oder große dramatische Handlungsbögen ist? Man verliebt sich bis über beide Ohren in die unspektakuläre Magie, die von dieser außergewöhnlichen Familienserie ausgeht. Wie fesselnd, wie anrührend, zärtlich und tragikomisch können Liebes-, Lebens- und Familienkrisen “normaler” Menschen im Fernsehen thematisiert werden, wenn sie sich nach so lebensklug geschriebenen, feingesponnenen Drehbüchern entfalten dürfen. Wie kunstvoll realistisch, fast dokumentarisch ist das inszeniert. Und mit welcher Anmut lädt dieses Ensemble wunderbarer Schauspieler dazu ein, ihren Figuren durch die aufbrechenden Krisen und Konflikte zu folgen.

Da sind die Brunners (Julia Jäger und Oliver Stokowski), Elektroinstallateur, Hausfrau, Eltern zweier halberwachsener Kinder (Jasna Fritzi Bauer und Karl Alexander Seidel), ihre kinderlosen Nachbarn (Inka Friedrich und Thomas Loibl) und deren Freund, der Single Christoph (Patrick Heyn), der für einen geplanten Skiurlaub die Studentin Katharina (Palina Rojinski) vom Escort-Service engagiert hat. Sie alle erleben im Lauf einer Woche, jeder auf seine Weise, Veränderungen, Enttäuschungen, den Abschied von Illusionen, die Hoffnung auf Neuanfang. Einer verliert seinen Job, eine der Frauen träumt sich in ein anderes Liebesleben hinein, erlebt aber eine herbe Niederlage, während ihr Mann daran scheitert, sie mit einem Swimmingpool zu überraschen. Doch durch all die scheinbar alltäglichen, oft urkomischen Krisen dieser Mittvierziger schimmern die großen, jeden Menschen bewegenden Lebensthemen: die Sehnsucht nach Liebe und Vertrauen, Angst vor Krankheit, vor dem Alter und davor, das Leben verpasst zu haben. So, wie es hier dargeboten wird, ist es ein Erlebnis, das glücklich macht: Es beweist, was das Fernsehen zustande bringen kann, wenn es in so guten Händen ist.

 
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