50. Grimme-Preis 2014

NEO MAGAZIN (ZDF/ZDFneo)

PreisträgerInnen

Matthias Schulz (Produktion)

Philipp Käßbohrer (Produktion)

Jan Böhmermann (Moderation/Autorenschaft/Produktion)

Produktion: Bildundtonfabrik

Erstausstrahlung: ab Donnerstag, 31.10.2013, 23.00 Uhr, ZDFneo

Sendelänge: je 30 Min.

Inhalt

In der satirischen Late-Night-Show „NEO MAGAZIN“, durch die Gastgeber Jan Böhmermann in seinem kleinen Studio jede Woche führt, ist niemand sicher. Zu Beginn der Sendung kommentiert er aktuelle Ereignisse der vergangenen Tage. Neben verschiedenen Einspielfilmen gibt es in der Show auch zahlreiche Elemente, die unter anderem auch das Publikum mit einbeziehen. In der Rubrik „Trendvulkan Mitte“ werden fiktive Trends aus Berlin-Mitte vorgestellt. Dabei präsentieren Vertreter aus dem Publikum die Mode vor der Kamera. Auch die Vorstellung eines fiktiver Jugendsprechs aus der Hauptstadt ist regelmäßiger Bestandteil der Rubrik. Nach den Enthüllungen rund um die NSA führte Böhmermann die „Prism is a dancer“ ein. Dabei stellt er verschiedene Zuschauer mit Informationen vor, die er über sie im Internet gefunden hat. Bei „Drehscheibe Internet“ geht es um die besten fünf Dinge: Seien es animierte Bilder im Netz oder skurrile WLAN-Namen. Auch hier können sich die Zuschauer beteiligen. Prominente oder Dinge bekommen ihr Fett weg, wenn Jan Böhmermann schließlich fragt, ob sie schlimmer als Adolf Hitler seien. Unterstützt wird der Moderator mehr oder weniger regelmäßig von verschiedenen Sidekicks. Dazu zählen neben Sprecher William Cohn auch Mola Adebisi und Florentin Will. Der Sendungstitel „NEO MAGAZIN“ lehnt sich übrigens an das ZDF-Magazin an, das bis 1988 ausgestrahlt worden ist. Mehr als die Ähnlichkeit im Titel haben beide Sendungen aber nicht.

Stab

Produktion: Bildundtonfabrik (btf GmbH)

Federführender Sender: ZDFneo

Buch: Ralf Kabelka, Stefan Titze

Regie: J. Patrick Arbeiter; 

Kamera: Andre Beckers, Julia Hüttner, Thomas Ramsauer

Schnitt: Julian Schleef; 

Ton: Alexander Werth

Moderation: Jan Böhmermann; 

Redaktion: Sebastian Flohr, Jens Matthey

Jurybegründung

Was das Medium Fernsehen kann, wenn es nur will und nicht muss, führt kaum einer so kompromisslos vor wie Jan Böhmermann als Gastgeber des "Neo Magazins". Irgendwo zwischen Late Night, Satire, Dadaismus und Unterhaltung mit Haltung weist Böhmermann der digitalen Generation den Weg ins Zweite Deutsche Internet – und einer kleinen, aber feinen Minderheit auch ins lineare ZDFneo. Dort erlebt der geneigte Zuschauer etwa die ultimative popkulturelle Replik auf die NSA-Affäre: In seiner Rubrik "Prism is a Dancer" durchleuchtet Böhmermann die Social-Media-Profile seines Studiopublikums, befördert peinliche Partyfotos, poetische Twitter-Sprüche oder zum Verkauf eingestellte Bleiglasfenster zutage – und sagt damit mehr über die omnipräsente Privatsphäre-Diskussion aus als manches gut gemeinte Informationsprogramm.

In weiteren, mit Liebe zum Detail ausgestalteten Rubriken wie "Trendvulkan Mitte", "Drehscheibe Internet" oder "Schlimmer als Hitler?" wechselt Böhmermann spielerisch zwischen naheliegenden Schenkelklopfern und hintersinnigen Pointen, die sich oft nur für Kenner bestimmter Subkulturen oder digitaler Strömungen vollumfänglich erschließen. Mit der schelmischen Überinszenierung der zwischenzeitlichen Böhmermann-vs.-Böhmermann-Kampfprogrammierung auf EinsPlus ("LateLine") und ZDFneo entblößte er im Herbst 2013 zudem die Abgründe der öffentlich-rechtlichen Spartenstrategie. Über den klassischen Formatrahmen der Late-Night-Show weist das "Neo Magazin" damit in puncto Innovation und Anspruch weit hinaus.

Dass das "Neo Magazin" als Gesamtprojekt einer neuen TV-Avantgarde so herausragend funktioniert, liegt auch an Philipp Käßbohrer und Matthias Schulz, den Gründern und Geschäftsführern der Kölner Bildundtonfabrik (btf), die das Format gemeinsam mit Böhmermann produzieren. Unter ihrer Leitung hat sich ein ambitioniertes Kreativteam zusammengefunden, dessen Wurzeln eher in Kunst und Design als im Fernsehen liegen und das vielleicht gerade deshalb eine selten gewordene Einstellung dem Medium gegenüber praktiziert: Gemacht wird nur das, woran die Macher glauben, und zwar aus tiefstem Herzen. Weil die btf-Mannschaft ihr Kölner Hinterhofstudio inklusive Technik in kompletter Eigenregie gestaltet hat, ist das "Neo Magazin" auch in Form und Ästhetik vorbildlich: Der selbstironische Retro-Look setzt mit seinen vielseitigen Grafik-Projektionsflächen den idealen Rahmen für ein TV-Abenteuer, von dem noch viele originelle Einfälle zu erwarten sind.

 
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