50. Grimme-Preis 2014

Mord in Eberswalde (WDR)

PreisträgerInnen

Holger Karsten Schmidt (Buch)

Stephan Wagner (Regie)

Zazie Knepper (Szenenbild)

Ronald Zehrfeld (Darstellung)

Florian Panzner (Darstellung)

Produktion: Westside Filmproduktion GmbH

Erstausstrahlung: Mittwoch, 30.01.2013, 20.15 Uhr, DasErste

Sendelänge: 90 Min.

Inhalt

"Vorläufige Nachrichtensperre, wir lassen nichts raus“, befiehlt Kommissar Heinz Gödicke. Denn die zwei Jungen, die tot im Waldstück gefunden worden sind, könnten die Bevölkerung verunsichern. „Morgen werden sie Angst haben in Eberswalde“, prophezeit Gödicke seinem Freund, Major Stefan Witt, mit dem er zusammen im Fall ermittelt. Der Druck auf die Volkspolizei ist groß: Ein Mörder, der nicht gefasst wird, kann für das SED-Regime zum Problem werden. Entsprechend schnell müssen Gödicke und Witt Ergebnisse liefern. Doch der Kommissar ist ratlos: „Ich suche einen Mörder ohne Motiv.“ Um bei den Ermittlungen voranzukommen, geht er neue Wege: Er versucht, sich in den Täter zu versetzen. Er will die Kinder aus den Augen des Mörders sehen. Doch der Erfolg bleibt aus. Auch die Affäre fliegt auf. Major Witt verprügelt seinen Freund Gödicke daraufhin in einem Café. Später konzentrieren sich die Ermittlungen schnell auf einen homosexuellen, pädophilen Täter. Eine Person, die es in der DDR eigentlich gar nicht geben darf. Nachdem ein dritter Junge umgebracht wird, melden sich Zeugen, die einen verdächtigen 20-jährigen Mann gesehen haben. Die Spur führt zum Kochlehrling Erwin Hagedorn, der die Tat umgehend zugibt. Der Prozess erfährt viel Aufmerksamkeit. Gödicke weiß, dass Hagedorn im schlimmsten Fall die Todesstrafe droht. Deswegen will der Kommissar das Gericht davon überzeugen, dass Hagedorn zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig war. Doch es klappt nicht: Am Ende des Films wird Hagedorn im Gefängnis mit einer Schuss hingerichtet.

Stab

Produktion: Westside Filmproduktion

Federführender Sender: WDR

Buch: Holger Karsten Schmidt

Regie: Stephan Wagner

Kamera: Thomas Benesch

Schnitt: Gunnar Wanne-Eickel

Ton: Achim Strommenger-Reich

Musik: Irmin Schmidt

Darstellung: Ronald Zehrfeld, Florian Panzner, Ulrike C. Tscharre, Martin Brambach, Godehard Giese, Sergius Buckmeier, Arved Birnbaum; 

Redaktion: Nina Klamroth

Jurybegründung

Im Mai 1969 werden in einem Waldgrundstück zwei Jungen tot aufgefunden, brutal  gequält und ermordet. „Mord in Eberswalde“ liegt ein historischer Kriminalfall zugrunde.  Es fehlt das Motiv, es gibt keine Spuren, mit den herkömmlichen Ermittlungsmethoden ist der Fall nicht zu lösen. 
Hauptmann der Kriminalpolizei Heinz Gödicke den Ronald Zehrfeld  sehr überzeugend zu einer vielschichtigen Figur ausarbeitet  leitet diese Ermittlungen. Mit dem Major der Staatssicherheit  Stefan Witt, gespielt von Florian Panzner, hat der Drehbuchautor seinem Kriminalisten ein ganz gegensätzliches Pendant geschaffen. Die beiden Männer  geraten in eine existenzielle Konkurrenzsituation: um die Lösung des Falls und um Clara, die Frau des Stasimajors. Im subtilen Kräftemessen  von Zehrfeld und Panzner liegt eine der besonderen Qualitäten des Films.

Durch das kluge Drehbuch von Holger Karsten Schmidt entsteht ein differenziertes Bild über die DDR, ohne dass die DDR vordergründiges Thema ist. Mit der ideenreich eingefügten BRD-Parallelgeschichte um den mehrfachen Kindermörder Jürgen Bartsch gelingt es überzeugend, Zeitgeschichte einzufangen. Genaue Figuren, die ohne die bekannten Klischees auskommen und die Protagonisten nicht denunzieren, sondern ernst nehmen, machen glaubhaft, was da auch in einem politischen Kontext verhandelt wird. Subtil auch der Humor, der im angespannten Verhältnis aller Akteure entsteht und ebenfalls ein stimmiges Bild der Verhältnisse in der DDR zeichnet. In Nebenrollen überzeugen Ulrike C. Tscharre, Martin Brambach und Godehard Giese.  Das warme Szenenbild lebt vom perfekt gesetzten Licht und einer feinen, detailgetreuen Ausstattung, die beiläufig daher kommt und die Geschichte überzeugend illustriert.

Der Film zeigt seine Stärke dort, wo er, unabhängig von den realen Ereignissen, souverän mit den Mittel des Fiktionalen spielt. Die Liebegeschichte zwischen Clara und Gödicke schafft  zu dem Abenteuer um die Ergreifung des Täters eine weitere spannende Handlungsebene. Regisseur Stephan Wagner gelingt es, eine dichte Atmosphäre zu erzeugen, es gibt viele starke Szenen, die in Erinnerung bleiben: so die erste Begegnung von Staatsanwalt und Ermittler im Wald oder Gödicke, der in den eigenen Abgrund blickt, als er versucht, sich in den Täter hineinzuversetzen; oder Hagedorn, der für einen Lehrfilm der Polizei seine Tat nachstellt; und nicht zuletzt der Todesschuss am Ende.

Es ist ein großes Glück, dass mit dem heutigen Film- und Serienwissen über Mörder, Forensiker und hochspezialisierte Ermittler ein historisch so hervorragend kontextualisierter Film entstanden ist, der all das ausblendet und ein authentisches Stück Kriminalgeschichte erzählt. Zur außergewöhnlichen Regieleistung gehört auch der Mut, die zähe Ermittlungsarbeit als bleierne Zeit zu gestalten und dieser Zähigkeit eine eigene spannungsreiche und poetische Kraft zu verleihen.

 
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