PreisträgerInnen
Hannah Ley (Buch)
Raymond Ley (Buch/Regie)
Matthias Brandt (Darstellung)
Produktion: Cinecentrum
Erstausstrahlung: Freitag, 30.08.2013, 20.15 Uhr, ARTE
Sendelänge: 90 Min.
Inhalt
Oberst Georg Klein erinnert sich genau: „Am 4. September um 1:51 Uhr entschloss ich mich, zwei am Abend des 3. September entführte Tanklastwagen sowie an den Fahrzeugen befindliche Aufständische durch den Einsatz von Luftstreitkräften zu vernichten. Es war das Ziel, Gefahren für meine Soldaten frühzeitig abzuwehren.“ Doch aus dieser Situation entwickelt sich schnell eine Dynamik, die den Oberst bis vor einen Bundestagsuntersuchungsausschuss bringt. Der Verdacht: Es handelt sich bei dem Einsatz, bei dem es nach NATO-Schätzungen mehr als 140 Tote gegeben hat, um ein Kriegsverbrechen. Oberst Georg Klein ist erst wenige Monate im Amt, als er von Informanten den Hinweis bekam, dass die afghanischen Taliban zwei in einer Sandbank feststeckenden Tanklaster als rollende Bomben in ihrem Einsatzgebiet in Nordafghanistan einsetzen könnten. Der Druck auf Oberst Klein wächst. Kurz zuvor hat er schon einen Soldaten bei einer Patrouille verloren. Und außerdem finde sich nun sogar ein ranghoher Taliban bei den Tanklastern. „Wäre doch mal ein Erfolg, wenn wir uns den holen – und nicht die Amis“, gibt ein BND-Mitarbeiter gegenüber Klein offen zu. Nachdem auch der Informant vor Ort bestätigt hat, dass es sich bei den Personen ausschließlich um Taliban und deren Unterstützer handele („Da gibt es keine Unschuldigen.“), befiehlt Klein den Bombenabwurf. „Ich habe mich im Grenzbereich bewegt“, wird sich Klein vor der Untersuchungsausschuss erinnern. Aber auch, wenn ihn als Christ die Bilder der Toten einholten, ist er von der Richtigkeit seines Handelns überzeugt: „Ich habe das angemessen ausgelegt.“
Stab
Produktion: Cinecentrum
Federführender Sender: NDR
Buch: Hannah und Raymond Ley
Regie: Raymond Ley
Kamera: Philipp Kirsamer
Schnitt: Heike Parplies
Ton: Martin Müller
Musik: Hans P. Ströer
Darstellung: Matthias Brandt, Axel Milberg, Ludwig Trepte, Vladimir Burlakov, Matthias Koeberlin, Franz Dinda, Stephan Schad, Yung Ngo, Navid Akhavan
Redaktion: Christian Granderath (NDR), Sabine Holtgreve (NDR), Andreas Schreitmüller (ARTE)
Jurybegründung
Danach war für alle offensichtlich, was zuvor nur immer dunkel mitschwang: Deutsche Soldaten und Offiziere waren wieder im Krieg. Das Bombardement von zwei Tanklastern am Kundus-Fluss im September 2009, bei dem 142 Menschen ums Leben kamen, war die Wende in der Diskussion um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Denn es war die blutigste Militäraktion deutscher Soldaten seit dem Zweiten Weltkrieg, zugleich war es die wohl umstrittenste Entscheidung innerhalb dieses ohnehin umstrittenen Einsatzes.
Das Dokudrama „Eine mörderische Entscheidung“, das so viel differenzierter ist als sein Titel, meistert eine Herkulesaufgabe. Es zeigt ein genau recherchiertes Protokoll einer wahren Geschichte, lässt Angehörige, Beteiligte und Experten zu Wort kommen und inszeniert gleichzeitig ein weites Tableau an Figuren und Perspektiven, das sich schließlich auf die entscheidenden Stunden in der Kommandozentrale der Spezialkräfte verdichtet.
Dort trifft Oberst Klein, den Matthias Brandt als zögerlichen und fast unbeteiligten Bürger in Uniform spielt, spät nachts die Entscheidung, dass die zwei angeforderten US-amerikanischen Nato-Flugzeuge die Tanklaster und die dort befindlichen Menschen mit zwei 500-Pfund-Bomben beschießen sollen.
Die Kommunikation mit den beiden Bomberpiloten, die immer wieder nachfragen, ob man nicht zuerst durch einen Tiefflug eine Drohung signalisieren solle und ob sich dort unten nicht auch Zivilisten befänden, gehören zu den verstörendsten Szenen. Dabei gelingt es, die Schritte zu der Entscheidung überzeugend zu schildern und gleichzeitig die Brüchigkeit und Unübersichtlichkeit der Situation deutlich zu machen.
Der Film überzeugt sowohl auf einer emotionalen als auch einer rationalen Ebene. Durch das Auffächern der Vorgeschichte dieses Krieges, der noch keiner sein darf, entsteht ein Kontext, der die Beweggründe erhellt. So wird etwa der Todesfall des jungen Deutsch-Russen Sergej Motz kurz zuvor bei einer Patrouille erzählt.
Erstmals seit 1945 kam mit ihm ein Soldat in deutscher Uniform bei einem Gefecht ums Leben. Dennoch galten die Deutschen dort lange als Weicheier, die es sich in „Bad Kundus“ gemütlich gemacht hätten.
Die Argumente werden klug und ohne Schaum vor dem Mund vorgetragen. Dokumentarische und szenische Elemente ergänzen sich, aber hinterfragen sich auch. Neben der innenpolitischen Diskussion, die immerhin einen Ministerrücktritt nach sich zog, richten die Filmemacher ihr Augenmerk auch noch einmal auf die Schicksale der Opfer. So dass bei aller Vielschichtigkeit und Ambivalenz am Schluss der Wahnsinn und die Absurdität des Krieges im Mittelpunkt stehen.