50. Grimme-Preis 2014

Betongold (rbb/ARTE)

Preisträgerin

Katrin Rothe (Buch/Regie)

Produktion: Katrin Rothe Produktion

Erstausstrahlung: Donnerstag, 30.05.2013, 23.30 Uhr, ARTE

Sendelänge: 52 Min.

Inhalt

Ein typisches Berliner Mietshaus. Einige der Bewohner: Studenten in einer WG, Rentner, ein Ehepaar mit einer Tochter. Eine Mieterin unter ihnen: Kathrin Rothe. Sie wohnt seit 16 Jahren in der Bergstraße 62. 2011 wurde das Haus von Investoren aufgekauft. Das Objekt verspreche ein hervorragendes Entwicklungspotential. Die luxuriöse Modernisierung sollen die Mieter selbst zahlen. Die Folge ist eine Mietsteigerung von mehr als 100 Prozent. Und der Investor hat große Pläne: Schicke Eigentumswohnungen sollen entstehen für Personen, die es sich leisten können. Die Verlierer sind die alten Mieter, bei denen nicht einmal mehr die Glühbirne ausgewechselt wird, wenn der Eigentümer sie aus der Wohnung drängen will. Mieterin Kathrin Rothe sieht sich plötzlich mit wildfremden Personen konfrontiert, die sich ihre Wohnung anschauen. Sie räumt alle privaten Dinge weg. Sogar die Blumen in der Küche werden noch mal umgestellt. Mit der Maklerin, die der Eigentümer bestellt hat, liegt Mieterin Rothe schnell über Kreuz. Denn die Immobilienfachfrau will sie lieber heute als morgen aus der Wohnung schmeißen. Denn nur dann erhält die Maklerin eine hohe Provision. Bei einem Objekt, in dem eine unsanierte Wohnung für eine halbe Millionen angeboten wird, sind die Provisionen enorm. Während nach und nach alle Mieter aufgeben, gegen den Immobilieninvestor zu kämpfen, überlegt auch Kathrin Rother, ob sie ein finanziell lukratives Angebot annehmen soll. Am Ende zieht sie aus und überlegt, was sie mit ihrer Abfindung anstellen soll. Sie überlegt: Vielleicht in Immobilien investieren?

Stab

Produktion: Katrin Rothe Produktion

Federführender Sender: rbb

Buch/Regie: Katrin Rothe

Kamera: Martin Langner

Schnitt: Silke Gänger

Redaktion: Dagmar Mielke (ARTE), Gabriele Conrad (rbb)

Jurybegründung

Der Vorwurf des „Betroffenheitsjournalismus“ ist normalerweise ein Todesurteil für eine Reportage. Journalisten sollen Distanz wahren, sich nicht mit einer Sache gemein machen, wie Hanns Joachim Friedrichs es gefordert hat. Katrin Rothe zeigt jedoch in „Betongold“, wie sich „Betroffenheit“ auch positiv wenden lässt: Nachdem ein Investor das Haus übernommen hat, in dem die Journalistin seit 16 Jahren zur Miete wohnt, erhält sie einen Brief, in dem ihr die geplante „Luxusmodernisierung“ ihrer Wohnung angekündigt wird – verbunden mit einer Mieterhöhung um voraussichtlich mehr als 100 Prozent. 
Was tun? Diese praktische Frage wird für Katrin Rothe zum Ausgangspunkt ihrer Reportage: Sie schildert, wie sich die Mieter des Hauses beraten lassen, wie sie eine Front gegen den neuen Besitzer bilden und wie nach und nach die meisten doch zermürbt aufgeben und ausziehen.

„Betongold“ ist nicht nur eine sehr persönliche Reportage, die von den Folgen der Immobilienspekulation für den einzelnen erzählt - monatelanger Schriftverkehr über Anwälte, Baulärm, Dreck, Psychoterror, Existenzsorgen, Schlaflosigkeit -, der Film ist auch ein Servicestück für Mieter, die von den Methoden des sogenannten Mietmanagements betroffen sind - so nennt man das Rausschmeißen von Mietern neuerdings. Katrin Rothe nimmt den Kampf mit den übermächtigen Spekulanten mit sehr viel Witz und Hartnäckigkeit auf. Da sie entscheidende Szenen wie die Gespräche mit dem Besitzer, die Wohnungsbesichtigungen der neuen Kauf-Interessenten oder die Güteverhandlungen vor Gericht nicht filmen konnte, erzählt sie diese – wie in ihren früheren Filmen - in sehr gut eingesetzten und realisierten Zeichentrickszenen. So blieben die Investoren zwar anonym, erhalten aber doch ein Gesicht.

Die Autorin bleibt aber nicht bei ihrem Fall stehen, sie weitet den Blick auf die Mieterdemonstrationen in Berlin und anderswo und erzählt so von einem der dringlichsten gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit: Wie wollen wir leben, wenn die Mieten in den großen Städten so teuer werden, dass Normalverdiener sie sich nicht mehr leisten können? „Ich muss die Welt retten. Ich muss die Zukunft retten“, sagt die Autorin selbstironisch. Ihr Film macht nicht nur wütend, sondern er macht auch anderen Mut, sich gegen die Hydra der Immobilienspekulation zu wehren. Das ist Betroffenheitsjournalismus im besten Sinne.

 
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