48. Grimme-Preis 2012

Mein Leben – Die Fotografin Sibylle Bergemann (ARTE/ZDF)

PreisträgerInnen

Maria Wischnewski (Buch)
Sabine Michel (Regie)
Uwe Mann (Bildgestaltung)
Ann-Christin Hornberger (Redaktion)

für

Mein Leben – Die Fotografin Sibylle Bergemann (ARTE/ZDF)

Produktion: : IT WORKS! Medien

Inhalt

„Hier kommt das Vögelchen raus“, sagt sie und drückt ab, nachdem sie zuvor den Film in ihre alte Kamera eingelegt hat. Im Portrait „Mein Leben – Die Fotografin Sybille Bergemann“ von Maria Wischnewski und Sabine Michel lässt die Ikone der Autorenfotografie die Kamera ganz nah an sich heran. Es schwingt Melancholie mit, wenn Bergemann über ihre Entwicklung hinter der Kamera spricht. Diese Stimmung spiegelt sich auch häufig in ihren Bildern wieder. Nachdem sie zunächst nur Fenster abgelichtet hat - „Ich habe mich nicht getraut, Leute zu fotografieren“ -, fokussierte sie ihre Kamera während der Arbeit bei der Wochenzeitung 'Sonntag' auch auf Menschen. Bergemann erzählt von aufregenden Shootings mit der jungen Katharina Thalbach, ihrer Beziehung zu ihrem Mentor und späteren Ehemann Arno Fischer und ihren Reisen als DDR-Bürgerin in den Westen. Durch eine Studienreise kam sie nach Venedig. „Hauptsache raus hier“, hat sie sich damals gedacht und war froh, der DDR für kurze Zeit den Rücken kehren zu können. Bergemanns Fundus an alten Aufnahmen scheint unendlich. Zu jedem Bild gibt es eine ganz eigene Geschichte. Aber sie verschweigt im Gespräch auch ihre Krankheit nicht. Bergemann glaubt, sie sei auch deshalb an Krebs erkrankt, weil sie ihre Wohnung am Berliner Schiffbauerdamm („meine Heimat“) nach fast 30 Jahren verlassen musste. Im Portrait spricht sie von Selbstzweifeln, schönen Erinnerungen und ihrem Gefühl für Bilder: „Es muss mich berühren. Wenn da nichts ist, kommt auch nichts rüber. So einfach ist das.“ Sybille Bergemann verstarb 2010 und wurde 69 Jahre alt.

Stab

Produktion: IT WORKS! Medien

Federführender Sender: ZDF

Buch: Maria Wischnewski

Regie: Sabine Michel

Kamera: Uwe Mann

Schnitt: Gudrun Steinbrück

Ton: Alexander Heinze

Redaktion: Ann-Christin Hornberger

Erstausstrahlung: ARTE, Sonntag,16.01.2011, 16.30 Uhr

Sendelänge: 43 Min.

Jurybegründung

„Dieser Frau bin ich ganz nahe gekommen!“: In dieser spontanen Aussage eines jungen Jurymitglieds der Marler Gruppe wird die Magie dieses einfühlsamen Porträts Sybille Bergemanns deutlich. Der Film erzählt die Geschichte einer Künstlerin, die sich ganz ihrer Leidenschaft verschrieben hat. Dramaturgisch geschickt lässt Regisseurin Sabine Michel die Geschichte Sybille Bergemanns in weiten Teilen von dieser selbst erzählen. Mit Hilfe ihrer stimmungsvoll-melancholischen Fotos gibt sie dem Zuschauer einen Einblick in die Vielseitigkeit ihrer Arbeit.

Gemeinsam ist allen Fotos, dass die Menschen niemals vorgeführt, immer von ihrer positiven, ja oft schönen Seite gezeigt werden. Sie hat keine Models, sondern Frauen fotografiert, hat bei der fotografischen Arbeit eine Atmosphäre geschaffen, welche die Menschen das Objektiv vergessen ließ, so dass sie bei sich sein konnten: Augenblicke, die Sybille Bergemann festhielt. 

Der Film schafft es, diese Magie, die Bergemanns Fotos innewohnt, auch auf das bewegte Bild zu übertragen. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt sein visuelles Konzept. Mit  intensiven, oft melancholischen Bildern wird dem Zuschauer ein vielfältiger Blick auf das Sein – auch mit Momenten der Leichtigkeit -- vermittelt. Eindrucksvoll sind auch die dichten Sequenzen von der Arbeitsweise der Fotografin, bezeigt bei Modeaufnahmen in Venedig. Was wir sehen, ist kein routiniertes Fotoshooting, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der zu fotografierenden Person, eine vorsichtige Annäherung an die beteiligten Menschen, eine behutsame Erkundung der prägenden und für sich sprechenden Umgebung. Kameramann Uwe Mann nimmt diese Arbeitsweise auf, zeigt mit zurückhaltenden und doch gefühlvollen Bildern das Geheimnis von Sybille Bergemanns Arbeitsweise, die sich dann in den Fotos dokumentiert: ihre Nähe zu den Menschen.

Der Regisseurin Sabine Michel ist es zu verdanken, dass die nie eitel wirkende Sybille Bergemann sich überhaupt zu diesem Portrait überreden ließ. Der Zuschauer erhält einen tiefen Einblick in das Leben der Künstlerin sowohl in der DDR als auch im wiedervereinten Deutschland. Redakteurin Ann-Christin Hornberger ist nicht hoch genug anzurechnen, dass sie den Sender für dieses Thema in der Sendereihe „Mein Leben - dokumentarische Porträts“ begeistern und die spezielle Produktionsweise durchsetzen konnte, ohne die dieser Film vielleicht nicht in dieser überragenden Qualität hätte entstanden können.

Bleibt zu hoffen, dass das Publikum auch in Zukunft bei dieser Sendereihe weiter und wieder in den Genuss solch sensibler Fernsehkunst kommt.

 
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