48. Grimme-Preis 2012

Der Tatortreiniger (NDR)

PreisträgerInnen

Mizzi Meyer (Buch)
Arne Feldhusen (Regie)
Bjarne Mädel (Darsteller)
Benjamin Ikes (Schnitt)

für

Der Tatortreiniger (NDR)

Produktion: Studio Hamburg FilmProduktion

Inhalt

Der Duftbaum im Wagen riecht nach „Sportfrische“, während das Hawaii-Mädchen bei jeder Unebenheit der Straße am Rückspiegel tanzt. Der Wagen gehört Heiko „Schotty“ Schotte. Von Beruf: Tatortreiniger. Er beseitigt alles, was eine Bluttat hinterlässt. Flecken im Teppich, Bad oder am Fenster – was für die Leute der Spurenbeseitigung, kurz Spube, eben so anfällt. Kaum ist die Leiche vom Tatort entfernt, beginnt Schottys Arbeit. Und eigentlich könnte er auch ungestört arbeiten, würden nicht immer Personen auftauchen, die mit dem Opfer in Verbindung stehen. „Ach sie putzen? Sie haben mit der Polizei gar nichts zu tun?“ fragt die Prostituierte Maja verwundert, die eigentlich zu jenem Kunden wollte, der noch vor wenigen Minuten mit dem Füßen zuerst aus der Wohnung getragen worden ist. Für Schotty ist die Tatortreinigung ein alltägliches Geschäft. Und wundert es kaum, dass er – nachdem er am Ort des Geschehens angekommen ist – zunächst einmal die Brötchendose rausholt und eine Runde Fußball schaut. Dass Schotty auch anders kann, beweist er im Gespräch mit einem ermordeten Psychologen, der ihm in seinen Gedanken erscheint. Während Schotty gerade das Blut aus dem Teppich schrubbt, philosophieren sie über das Leben. Als schließlich eine übergewichtige Patientin vorbeischaut, versucht Schotty, sich mit ihr zu verabreden. Vergeblich. Trotz aller Abgeklärtheit hat der Tatortreiniger das Herz am rechten Fleck. Anders würde man seinen Job auch nicht durchstehen. „Leute sterben eben. Das ist ganz normal.“

Stab

Produktion: Studio Hamburg FilmProduktion

Federführender Sender: NDR

Buch: Mizzi Meyer

Regie: Arne Feldhusen

Kamera: Kristian Leschner

Schnitt: Benjamin Ikes

Ton: Maarten van de Voort

Musik: Carsten Meyer

Darsteller: Bjarne Mädel

Darstellung Episoden: Katharina Marie Schubert (Fo 1), Anneke Kim Sarnau (Fo 1), Charlie Hübner (Fo 1), Bernd Moss (Fo 2), Christine Schorn (Fo 3), Bettina Stucky ( Fo 4), Michael Wittenborn (Fo 4)

Redaktion: Stephanie Bogon, Bernhard Gleim

Erstausstrahlung: NDR, ab Fr., 23.12.11, 03.30 Uhr

Sendelänge: je 27 Min.

Jurybegründung

Blut, Knochen, Knorpel, Gehirnmasse: Wenn Tatortreiniger Heiko "Schotty" Schott seine Arbeit getan hat, dann soll von so was keine Spur mehr sein. Zum Glück stellt sich beim Zuschauer der Serie ein gegenteiliger Effekt ein: Bei ihm hinterlässt Schotty selbst lang anhaltende Spuren. So gutes Fernsehen prägt sich nämlich ein.

Aus der kleinen, feinen Idee, einen Tatortreiniger bei der Arbeit zu begleiten, hat Autorin Mizzi Meyer ein Kammerspiel der besonderen Art entwickelt. Bei jedem Einsatz ergibt sich für Schotty ein tête-à-tête mit einer Person aus gänzlich anderem Umfeld - und mit überraschenden Folgen. Mal wird Schotty selber kriminalistisch aktiv, mal inspiriert er Literatur, mal schlägt er sogar erotische Funken.

Doch beim "Tatortreiniger" wird nicht einfach der Clash der Figuren gefeiert. Dank Mizzi Meyers wunderbarer Dialoge und der präzisen Montage von Benjamin Ikes wechseln sich in Schottys Begegnungen Annäherung und Befremden, Verständnis und Entsetzen fliegend ab. Genauso häufig, wie sich Schotty wundert, in welche Parallelwelt er da reingeraten ist, staunen seine Kunden über den Mann, dem selbst ein aufgeplatzter Schädel nicht den Appetit auf ein Wurstbrot vermiest. Was eben noch Charakterstudie war, wird im Handumdrehen zur Milieu-Satire.

So entwickelt der "Tatortreiniger" ganz beiläufig ein Tempo, an dem sich manche vermeintlich hochtourige Sketch-Reihe ein Beispiel nehmen könnte. Dass mit Arne Feldhusen ein überaus erfahrener Comedy-Mann Regie führt, merkt man der Serie übrigens im besten Sinne nicht an: Hier herrscht keine Routine, sondern weht ein frischer, norddeutscher Wind.

Aber was wäre der "Tatortreiniger" ohne seinen Hauptdarsteller Bjarne Mädel? Von ihm ist man schon viel Gutes gewohnt. Aber Schotty ist eine Figur aus dem Leben fürs Leben. Trottelig, wenn er's sein darf, blitzgescheit, wenn er's sein muss, navigiert Mädel seinen Schotty souverän durch den Mikrokosmos Hamburg. Selten erschien Bauernschläue so gemütlich und vertrauenserweckend.

Sollte man sich als Kritiker einmal aus Verzweiflung über manches Fernsehprogramm oder besonders abwegige Sendetermine etwas antun - man wünschte sich, Schotty würde sich anschließend um die sterblichen Reste kümmern.

 
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