Adolf-Grimme-Preis an
Friedrich Ani (Buch)
Dominik Graf (Regie)
Alexander Fischerkoesen (Kamera)
Dieter Schleip (Musik)
Jeanette Hain, Ulrich Noethen und Martin Feifel (Darstellung)
Produktion: MOOVIE the art of entertainment
Stab
Produktion: MOOVIE the art of entertainment, Oliver Berben
Buch: Friedrich Ani
Regie: Dominik Graf
Kamera: Alexander Fischerkoesen
Schnitt: Christel Suckow
Musik: Dieter Schleip
Darsteller: Ulrich Noethen, Martin Feifel, Jeanette Hain, Olivia Pascal, Anka Lea Sarstedt u.a.
Redaktion: Caroline von Senden
Erstausstrahlung: Montag, 20.4.2009, 20.15 h
Sendelänge: 89 Min.
Inhalt
Sie nennen ihn den Schicksalsversteher: Mit seinem Team sucht Kommissar Tabor Süden nach vermissten Personen. Sein Dezernat war auch nach dem Tsunami im Einsatz bei der Identifizierung der Toten. Nun stellt sich heraus, dass es eine Verwechselung gab. Die tot geglaubte Rosina Hornung ist in der Münchener U-Bahn aufgetaucht. Süden und seine Kollegin Sonja finden heraus, dass Rosina die Katastrophe zum Neuanfang genutzt hat. Ihr Ehemann ist rasend vor Wut und Enttäuschung, Rosina wird dies nicht überleben. Südens Kollege Martin hat derweil ganz andere Sorgen. Selbst immer physisch und psychisch am Abgrund, reißt die Erinnerung an die Kräfte zehrende Ermittlungsarbeit nach dem Tsunami bei Martin alte Wunden wieder auf.
Außerdem bereitet er sich gerade auf einen Luftgitarren Wettbewerb vor. Doch plötzlich hat sein härtester Konkurrent Edward Loos sich quasi selbst in Luft aufgelöst. Auch Edward war offenbar auf der Suche – nach seinem jüngeren Halbbruder Aladin. Der einst gefeierte Fußball-Nachwuchsstar war nach einem Karriereknick in eine Identitätskrise geraten und besessen von der Suche nach seinem ihm unbekannten Vater untergetaucht. Edward, der ebenso wie Aladin seinen Vater nicht kennt, will ihm beistehen. Das Schicksal der beiden Brüder kann Süden besonders gut nachvollziehen, denn auch er selbst ist seit Jahren auf der Suche nach seinem vermissten Vater…
Jurybegründung
Gleich siebenmal die namentliche Grimme-Zuerkennung bei „Kommissar Süden und der Luftgitarrist“ -- für Buch, Regie, Kamera, Musik und die Schauspieler Jeanette Hain, Ulrich Noethen, Martin Feifel: Schon dieses Spektrum und die Fülle zeigen, dass es sich um einen ziemlich perfekten Film handelt – einen, für den Regisseur Dominik Graf nun seinen achten Grimme-Preis bekommt.
Im Dezernat 11 der Münchner Polizei wird nach Menschen gesucht, die vermisst werden, verschwunden in der Flutwelle des Tsunami im Indischen Ozean; oder, weil ihnen „die Wirklichkeit abhanden gekommen ist“. So dynamisch ist die Arbeit im Vermissten-Dezernat zu erleben, dass nachvollziehbar wird, wie aufreibend diese Suche ist, zu der auch gehört, auf den Bildern grausamer Zerstörungen und Verstümmelungen Spuren von Opfern zu entdecken. Eben diese Suche nach der Wahrheit der Bilder ist das Thema dieses Films, der damit an Michelangelo Antonionis„Blow Up“ erinnert.
Verstärkt wird dieser Eindruck noch in der wunderbar poetischen Passage, in der Martin Feifels Polizist Heuer -- der auch bis zur Selbstauflösung die Luftgitarre spielt, sprich: pantomimisch auf einer imaginäre E-Gitarre musiziert -- auf dem Gelände des FC Bayern ein Solo mit dem Luftfußball hinlegt, so als hätte er gerade die Tennisspielpantomime in Antonionis Film aus dem Jahr 1966 gesehen.
Das sind Augen-Blicke, die diesen Film so reich machen, Augenblicke denen Friedrich Ani und Dominik Graf mit besonderer Hingabe nachspüren. Und beide vertrauen ohne wenn und aber der Phantasie, die in andere Welten führt: Das Luftgitarrenspiel wird so zum Kunstereignis. Ein ganz besonderer Moment entsteht, wenn Tabor Süden aus dieser Übereinkunft aussteigt -- dann nämlich, als er den Koffer für die Luftgitarre entdeckt -- und in schallendes Gelächter ausbricht. Auch wenn Jeanette Hain als Polizisten Sonja spürbar macht, dass dem emotionalen Druck der Bilder der Tsunamie-Katastrophe nicht standzuhalten ist, gehört das zu den großen Augenblicken.
Jede dieser so reich gezeichneten Figuren ist einbezogen in das dicht geknüpfte Beziehungsgeflecht, das gerade mit solch kleinen Interaktionen in Spannung gehalten wird. Ein Vergnügen ist auch, wie die Musik des Komponisten Dieter Schleip zurückhaltend und trotzdem zeichenhaft den Lauf der Dinge kommentiert und jazzig-frisch sich zu den beschleunigten Bildern des Kameramanns Alexander Fischerkoesen vom nächtlich bewegten München zu einer Großstadtsymphonie steigert. Die kleinen Schicksale erscheinen in dieser Kulisse ganz groß und werden dadurch - was für ein schöner Widerspruch - menschlich berührend.