46. Grimme-Preis 2010

Henners Traum (ZDF)

Adolf-Grimme-Preis an

Klaus Stern (Buch/Regie/Produktion)

Stab

Produktion: Stern Film, Klaus Stern 

Buch/Regie: Klaus Stern 

Kamera: Harald Schmuck 

Schnitt: Friederike Anders 

Ton: Christian Lang, Sebastian Schmidt 

Musik: Michael Kadelbach 

Protagonisten: Heinrich Sattler, Astrid Bohne, Martin Becker, Roland Koch, Bernd Köhling, Michael Kranich, Tom Krause, Cornelius Obier, Nicolas Tommasini 

Redaktion: Christian Cloos 

Erstausstrahlung: Montag, 16.11.09 0.20 h 

Sendelänge: 94 Min. 

Inhalt

Eine zerstörte Landschaft für ein überdimensioniertes Bauprojekt, das allein fünf Golfplätze vorsieht, obwohl die, die es in der Gegend schon gibt, überhaupt nicht laufen… So sehen das die Kritiker. Aber Henner Sattler hat einen Traum. Der CDU-Mann ist Bürgermeister in Hofgeismar, einer 17.000-Seelen-Gemeinde in der nordhessischen Provinz. Der Ort wirkt beschaulich bis verlassen, und auch wirtschaftlich ist nicht viel los in der Kleinstadt. Auf dem Gelände von Schloss Beberbeck, bislang ein Pflegeheim für Demenzkranke, soll nun ein mondänes Touristen-Resort entstehen: fünf Luxushotels, hunderte Ferienvillen und eine 34 Hektar große künstliche Seenlandschaft sollen mehr als 1000 Arbeitsplätze bringen.

Der Erfolgsarchitekt Tom Krause hat den Traum in Henner Sattler erweckt. Selbstverliebt beruft sich Krause immer wieder auf seine internationalen Großprojekte etwa in Dubai. Und nun plant der Künstler ein 420-Millionen-Euro-Projekt im Nirgendwo von Nordhessen… - Klaus Stern begleitet die jahrelange Planung des vermeintlichen Vorzeigeprojekts. Er zeigt Sattler und Krause zwischen demonstrativer Kumpelhaftigkeit und großen Zweifeln an der Vertrauenswürdigkeit des anderen.  Unermüdlich sucht Sattler nach Investoren, sogar Ministerpräsident Roland Koch unterstützt ihn. Voran geht aber trotzdem nichts. Sattler hält dennoch fest an seinem Traum, den bislang kein Investor mit ihm teilen möchte…

Jurybegründung

Eigentlich hat „Henners Traum“ alles, was ein gutes Lehrstück ausmacht: einen tragischen Helden, ein fatales Projekt und eine eindringliche Moral, die uns die menschliche Fehlbarkeit vor Augen führt. Tatsächlich hat Klaus Sterns Film noch viel mehr: nämlich Humor, Geduld und Nachsicht.

Wenn wir mit Stern über zweieinhalb Jahre verfolgen, wie sich der Kleinstadt-Bürgermeister Heinrich „Henner“ Sattler für das größte Tourismusprojekt Europas einsetzt, dann sehen wir nicht nur zu, wie sich ein Provinzpolitiker an einem megalomanen Bau verhebt; wie er für Wellnesslandschaften im Wert von 450 Millionen Euro in einem Landstrich wirbt, der doch als „Hessisch-Sibirien“ verulkt wird; und wie männliche Seilschaften ihn nicht weiterbringen, sondern nur noch tiefer in ein Desaster namens „Schloss Beberbeck Resort“ reißen – eben weil in ihnen nur die Beziehungspflege, nicht jedoch die Faktenlage zählt. Da hätte Stern eigentlich genug Stoff zusammen, um aus dem Bürgermeister einen Schildbürger zu machen.

Stattdessen entwickeln wir Mitgefühl mit Henner. Wir leiden mit ihm, wenn er sich wieder einmal nicht auf seinen großmäuligen Partner, den Architekten Tom Krause,verlassen kann. Wir staunen mit ihm, wie leicht sich Ministerpräsident Roland Koch als Unterstützer für das Projekt gewinnen lässt. Und wir schämen uns für ihn, wenn er mit fürchterlichem Englisch vor internationalen Investoren vorstellig wird.

All das können wir, weil uns Klaus Stern nah an Henner heranführt – etliche Male sogar bis in sein Badezimmer. Doch dabei tritt Stern seinem Protagonisten nie zu nahe. Das gelingt ihm, weil er Henners aussichtslosen Kampf zu einer Reflexion darüber ausweitet, was Träume ausmacht. Mit Henner beginnt man sich zu fragen, wie viel man von der Realität ausblenden muss, um sie vielleicht doch noch zu verändern; und: wann Zielgerichtetheit aufhört und Verbohrtheit anfängt.

In Hessen hat „Henners Traum“ für einigen politischen Wirbel gesorgt. Schließlich zeigt der Film, wie ein Heer an Kontrollinstanzen und Beratern systematisch versagt. In uns Zuschauern arbeitet derweil die Frage weiter, was Henner im Innersten antreibt und ob er jemals davon loskommen wird.

Aufklären und bewegen – das sind die zwei Sachen, die großes Fernsehen leistet. Großes Fernsehen wie „Henners Traum“.

 
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