46. Grimme-Preis 2010

Die Wölfe (ZDF)

Adolf-Grimme-Preis an

Christoph Fromm (Buch)

Friedemann Fromm (Buch/Regie)

Heta Mantscheff (Casting)

Stab

Produktion: Ziegler Film, Regina Ziegler 

Buch: Christoph und Friedemann Fromm 

Regie: Friedemann Fromm 

Kamera: Hanno Lentz 

Schnitt: Annemarie Bremer 

Musik: Edward Harris 

Darsteller: Axel Prahl, Barbara Auer, Matthias Brandt, Philip Wiegratz u.a. 

Redaktion: Guido Knopp, Heiner Gatzemeier 

Erstausstrahlung: 29.1.2009, 21.00 h und 2.2./3.2.2009, jew. 20.15 h 

Sendelänge: je 90 Min.

Inhalt

„Nichts kann uns trennen, nicht mal der Tod!“ – Welche Bedeutung dieser Schwur in ihrem Leben haben wird, ahnen die sechs Jugendlichen nicht, als sie ihre Bande „Die Wölfe“ gründen. Bernd, Jakob, Kurt, Lotte, Ralf und Silke wachsen im zerbombten Berlin auf. Den Krieg haben sie unterschiedlich erlebt, doch der Kampf ums Überleben geht auch im Sommer 1948 weiter. Mit Schwarzmarktgeschäften und kleinen Betrügereien halten sie sich über Wasser. Das Buhlen um die Gunst der schönen Lotte prägt vor allem die ungleiche Freundschaft von Bernd und dem Juden Jakob. 13 Jahre später haben sich alle mit dem Leben in der geteilten Stadt arrangiert.

Bernd, inzwischen ein erfolgreicher Unternehmer im Westen, hat Lotte erobert. Doch immer noch hängt ihr Herz auch an Jakob, der im Ostteil der Stadt Mathematik lehrt. Als die Mauer gebaut wird, organisiert Bernd für Lotte, Ralf und auch Jakob die Flucht. Sie endet dramatisch: Ralf wird erschossen, und Jakob entgeht einer Strafe nur, weil er sich von der Stasi anwerben lässt. Im Sommer 1989 beginnt der politische Umbruch. Silke, inzwischen die Ehefrau Jakobs und bislang eine linientreue DDR-Journalistin, schließt sich dem Widerstand an. Ihr Sohn Thomas flieht über Ungarn in den Westen zu seiner großen Liebe Miriam. Er weiß nicht, dass sie die Tochter von Lotte ist – die Frau, in die nicht nur Bernd sondern auch sein Vater Jakob verliebt war...

Jurybegründung

„Die Wölfe“, das ist deutsche Geschichtsbewältigung im Dreisprung: Luftbrücke 1948, Mauerbau 1961, Mauerfall 1989. Die Gebrüder Fromm -- Christoph (Buch) und Friedemann (Buch/Regie) -- packen den Dreiteiler aus Zeitgenossenschaft und Zeitgeschichte auf ein halbes Dutzend Schultern: eben der „Die Wölfe“, die sich mehr aus Überlebensnotwendigkeit denn aus hehrem Freundschaftsdienst zur Sechserbande verschwören. Die Clique der Jungen als Alternative zur Familie, die bei den Geschwistern Lotte und Ralf nicht mehr existiert, beim jüdischen KZ-Überlebenden Jakob vernichtet ist, und die beim Vater von Kurt in der Nazi-Vergangenheit ihr Sieg-Heil sucht. So beginnt es, so entfalten sich die Trümmerkinderlebensläufe zum Gesellschaftsbild der Deutschen im Nachkriegs-Berlin, im geteilten Berlin, im wiedervereinigten Berlin.

Die Fromms erneuern dabei das Doku-Drama: Es will eine Geschichte mit dokumentarischen Anspruch sein, das Erfundene wird durch das gefundene Real-Zitat beglaubigt, das Fiktionale durch das Faktische in den Stand des So-wird-es-gewesen-sein gehoben. Dabei entsteht großes, großartig gemachtes Fernsehen, bis in die letzte Ritze fein ausgestattet. Die Wirklichkeit der Zeitläufe dringt in den Spielfilm ein, trotzdem reüssiert ihre Darstellung als Kunst.

Der Dreiteiler riskiert viel, insofern er die Figuren über die drei Wendephasen jeweils neu besetzt. Jakob – Neel Fehler (1948)/Florian Stetter (1961)/Matthias Brandt (1989) – oder Bernd - Vincent Redetzki/Florian Lukas/Axel Prahl – oder Lotte – Henriette Confurius/Annett Renneberg/Barbara Auer – seien stellvertretend für die sechs Protagonisten und 106 Sprechrollen genannt. Nicht nur deshalb nötigt das Casting von Heta Mantscheff großen Respekt ab.

Klug und bedacht verpflichtet die Inszenierung das Ensemble auf die eine Erzählung. Alle wirken einig im Ziel, zentrale Daten deutsch-deutscher Geschichte nicht menschelnd auszustellen, sondern in den Seelenkeller von Individuen hinabzusteigen, die keine Helden waren und keine Helden sind. Damit wird aufregende Zeitgeschichte zur einnehmenden Menschengeschichte und zum aufregenden Menschenfernsehen. Geschichte passiert einem, das sagt der Film. Und setzt das Unabdingbare von Biografien in Anführungszeichen. Links? Rechts? Ost? West? Unten? Oben? Alles nur Allüren des Schicksals? Deutsche Lebensläufe werden zu Einverständniserklärungen mit dem, was deutsche Geschichte anbietet.

Wenn Fernsehzuschauer je wissen wollen, warum sie wurden, was sie sind, dann halten „Die Wölfe“ Antworten bereit.

 
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