44. Grimme-Preis 2008

Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez (ZDF/ARTE)

Adolf-Grimme-Preis an

Heidi Specogna (Buch/Regie)

Stab

Produktion: Tag/Traum mit PS Film Zürich und Specogna Film

Buch/Regie: Heidi Specogna

Co-Autorin: Erika Harzer

Kamera: Rainer Hoffmann (bvk),  2. Kamera: Thomas Keller

Schnitt: Ursula Höf

Sprecherin: Eva Mattes

Redaktion: Anne Even (ZDF/ARTE)

Erstausstrahlung: Montag, 5.11.2007, 23.00 h

Sendelänge: 90 Min.

Inhaltsangabe

Foto: Specogna FilmAm 21. März 2003 starb José Antonio Gutierrez als erster US-Soldat im Irak-Krieg. Er war 29 Jahre alt, auch wenn das Geburtsjahr auf seinem Grabstein mit 1980 angegeben ist. Als Greencard-Soldier ging José für ein Land in den Krieg, das ihn erst posthum einbürgerte und als Helden feierte. Der Film macht sich auf die Suche nach den Wurzeln des jungen Mannes: als Straßenkind in Guatemala aufgewachsen, träumt José von einem sorgenfreieren Leben in den USA. 1996 macht sich der damals 22jährige auf eine Monate lange Reise. Er verlässt sein vom Bürgerkrieg gebeuteltes Land, fährt auf Güterzügen als blinder Passagier quer durch Mexiko und jobbt als Erntehelfer. Bei San Diego will er über die Grenze in die USA. Drei Versuche benötigt er, bis er es tatsächlich schafft. Er macht sich ein paar Jahre jünger, weil Minderjährige nicht ausgewiesen werden, und lebt in verschiedenen Pflegefamilien. Ein Zuhause, in dem er wirklich zur Ruhe kommt, findet Foto: Specogna Filmder stolze Latino nicht. José träumt davon, Architekt zu werden, und verpflichtet sich schließlich bei den Marines. Die Bush-Regierung hat Freiwilligen eine zeitverkürzte Einbürgerung in Aussicht gestellt. So zieht José für ein fremdes Land in einen Krieg, in dem er nur wenige Stunden überlebt. Die filmische Spurensuche bringt Menschen vor die Kamera, die José in seinem kurzen Leben begleitet haben, aber auch solche, die wie er ihre Familien und Freunde zurücklassen – angetrieben von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in den USA...

Begründung der Jury

Die Geschichte des José Antonio Gutierrez, die Heidi Specogna in ihrem Dokumentarfilm erzählt, ist von der Art, wie man sie nicht erfinden kann. Sie ist voller sonderbarer Geschehnisse und überraschender Wendungen, unerhört und traurig. Und so ist auch der Film: traurig und voll verhaltenem Zorn.

Das Leben des José Antonio Gutierrez beginnt in einem Krieg, im Bürgerkrieg in Guatemala, und endet in einem anderen, im zweiten Irakkrieg. Dort fiel José Antonio Gutierrez als erster Soldat der US-Army am ersten Tag des Krieges. Er war kein amerikanischer Staatsbürger, er kämpfte als so genannter „greencard-soldier“: Sterben mit Aufenthaltserlaubnis. Die US-Staatsbürgerschaft erhielt er erst posthum. Geboren wurde José Antonio Gutierrez in Guatemala und hatte dort – ein Opfer des Bürgerkriegs – als Straßenkind gelebt. Mit aller Gerissenheit und Klugheit, die Straßenkinder zum Überleben brauchen, hatte er den Aufbruch aus dem Elend geschafft, war in den Norden aufgebrochen und illegal über die Grenze in die USA gelangt. Er wäre gern Architekt geworden. Aber um etwas lernen zu können, blieb ihm nur der Weg über die Army. Und der führte ihn direkt in den Irak.

Heidi Specogna rekonstruiert das Leben und Sterben ihres Protagonisten, indem sie den einzelnen Stationen seines Lebens nachfährt. Sie trifft Leute, die das Straßenkind, den Halbwüchsigen, den Flüchtling und den Marine gekannt haben. Sie findet an diesen Orten Geschichten, die denen ihres Protagonisten gleichen; und über diese Erzählungen gelingt es ihr, uns das Drama dieses Straßenkindes anschaulich zu machen.
Es ist die besondere Leistung des Films, das kurze Leben des José Antonio Gutierrez sowohl als ein besonderes, individuelles Schicksal zu erzählen und zugleich als ein ganz gewöhnliches, das viele andere Menschen mit ihm teilen. Wie in einem Brennglas spiegeln sich in seiner individuellen Geschichte all die gegenwärtigen Geschichten von Armut, Emigration und Überlebenskampf. Zugleich schafft es der Film auf ungewöhnlich intensive Weise, uns diesen besonderen Menschen nahe zu bringen, sehr nahe.

 
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