42. Grimme-Preis 2006

Die Frauen von Ravensbrück (MDR/rbb/SWR)

Adolf-Grimme-Preis an

Loretta Walz (Buch/Regie)

Stab

Redaktion: Beate Schönfeldt (MDR), Jens Stubenrauch (rbb), Gudrun Hanke-El Ghomri (SWR)

Buch/Regie: Loretta Walz

Buch: Thomas Walther

Kamera: Thomas Walther u.a.

Schnitt: Thomas Walther

Produktion: Loretta Walz Videoproduktion in Koproduktion mit Greta Film Stuttgart

Sendelänge: 89 Min.

Erstausstrahlung: Mittwoch, 13.4.2005, 23.35 h

Inhaltsangabe

"Solidarität war das einzige, was wir hatten", erinnert sich eine der Frauen von Ravensbrück, dem größten Frauenkonzentrationslager in der Zeit des Nationalsozialismus. Für ihre Dokumentation hat sich Loretta Walz Geschichten aus dem Innenleben dieses Lagers erzählen lassen. Rund 200 Überlebende hat die Filmemacherin in mehr als 20 Jahren vor der Kamera interviewt, hat dafür 15 west- und osteuropäische Länder bereist. Knapp 50 dieser Frauen kommen in dem Film zu Wort. Sie erzählen von der entwürdigenden Ankunft, dem Zählappell und der Zwangsarbeit. Die Frauen mussten medizinische Experimente, Sterilisationen und Hunger aushalten. Sie brachten hier sogar Kinder zur Welt. Einige Frauen leiden Jahrzehnte später gar unter dem "Schuldgefühl, überlebt zu haben", nachdem aus Ravensbrück ein Vernichtungslager wurde.

Und doch bildete sich innerhalb des Lagers fast so etwas wie eine normale Gesellschaftsordnung heraus, erinnert sich die Französin Violette Ledoq, die als Krankenschwester in Ravensbrück eingesetzt war und den grausamen Alltag in Zeichnungen festgehalten hat. So habe es den Elite-Block gegeben, wo etwa Frauen lebten, die für Büroarbeiten eingesetzt wurden und sich so das Recht zu duschen erarbeiteten. Andere wurden wiederum zu "Versuchskaninchen" degradiert und "im Dienste der Medizin" absichtlich mit Krankheiten infiziert. Kombiniert mit wenigen historischen Aufnahmen, zeichnen die Erinnerungen ein eindringliches, ein intensives Bild vom Alltag der Frauen von Ravensbrück.

Begründung der Jury

Der Film "Die Frauen von Ravensbrück" ist ein Film der Erinnerung, ein Film der Gesichter, ein Film über das Überleben und ein Film über die menschliche Würde. Loretta Walz versammelt die Aussagen und Erinnerungen von Frauen, die das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überlebt haben. Dort waren von 1938 bis 1945 weit mehr als hunderttausend Frauen inhaftiert, Zehntausende kamen ums Leben. Seit 25 Jahren hat die Autorin in der dokumentarischen Tradition von Eberhard Fechner und Claude Lanzmann Aussagen von mehr als 200 Frauen gesammelt. 48 von ihnen, aus 15 west- und osteuropäischen Ländern, kommen in dem Film zu Wort. So lässt sich auch begreifen, dass der Terror der Nazis international war. Die Frauen erzählen vom Alltag im Lager, von den entwürdigenden Ritualen, vom täglichen Kampf ums Überleben, von Zählappell und Zwangsarbeit, vom Widerstand, von kleinen Sabotageaktionen.

Medizinische Experimente, Hunger und Sterilisationen, Kinder und Geburten im Lager - all das wird in den Erinnerungen der Überlebenden reflektiert. Die Frauen sprechen auch über sehr intime Dinge, doch an keiner Stelle versucht der Film, damit zu spielen und sie spekulativ zu verwerten. Loretta Walz setzt ihre filmischen Mittel in einer strengen und klassisch-einfachen Weise ein. Sie rückt die Menschen in den Mittelpunkt, wissend, dass Gesichter und Gebärden gleichermaßen Auskunft geben können wie die Erzählungen. Geschickt montiert die Autorin die Gesprächsteile nach thematischen Blöcken, so dass durch die Erfahrung hindurch auch die Organisationsform und Arbeitsweise eines solchen Lagers verständlich wird. Dazwischen platziert sie Zeichnungen der französischen Künstlerin Violett Lacoq, die ausdrucksstark Episoden aus dem Lagerleben schildern.

Im Zentrum des Films aber steht die lebendige und genaue Erinnerung der Frauen. Gerade die konkreten und individuell geprägten Geschichten, die Details, in denen die ganze Grausamkeit des Lebens und Sterbens im Lager sich ausdrückt, hinterlassen bei den Betrachtern einen nachhaltigen Eindruck. Er liefert nicht nur jenen Zuschauern viele Informationen und nachhaltige Eindrücke, die nicht viel über Ravensbrück wissen, sondern auch jenen, die denken, über den faschistischen Terror in den Konzentrationslagern schon alles gehört und gesehen zu haben.

 
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