41. Grimme-Preis 2005

Neruda (SWR / ARTE)

Kultur "Sonderpreis" des Landes NRW an

Ebbo Demant (Buch/Regie)

Stab

Redaktion: Peter Latzel

Buch / Regie: Ebbo Demant (Preisträger)

Produktion: SWR, Jochen Dickbertel

Kamera: Jürgen Bolz

Schnitt: Isabelle Allgeier

Sendelänge: 120 Min.

Erstausstrahlung: Montag, 5.7.2004, 22.30 h

Inhaltsangabe

Er sei ein "Dichter der verlorenen Menschenwürde", beschrieb ihn die Stockholmer Akademie, die ihm 1971 den Literatur-Nobelpreis verlieh. Und in der "New York Times" hieß es: "Sein Werk hat so mächtig gewirkt, dass es geografische Grenzen, nationale wie kontinentale, sprengte."

Pablo Neruda, 1904 als Neftali Ricardo Reyes Basalto im chilenischen Parral geboren, galt als literarische und politische Stimme Lateinamerikas. In den 20er Jahren veröffentlichte er erste Texte, bevor er 1927 in den konsularischen Dienst trat. Sein Beruf führte ihn u. a. 1935 nach Madrid.

Nach dem Putsch General Francos solidarisierte sich Neruda mit dem antifaschistischen Kampf. 1945 trat er in die Kommunistische Partei Chiles ein und wurde Senator. Drei Jahre später ging er nach Europa ins Exil und entzog sich damit seiner Verhaftung. Nach ausgedehnten Reisen kehrte Neruda 1952 nach Chile zurück, wurde 1969 von der Kommunistischen Partei Chiles sogar als Präsidentschaftskandidat nominiert, trat aber zugunsten von Salvador Allende zurück.

Zwei Wochen nach dem Sturz und der Ermordung Allendes starb Neruda im September 1973. Seine Beisetzung wurde zu einem Protestmarsch gegen den faschistischen Terror.

Die Dokumentation "Neruda" zeichnet die wichtigsten Lebensstationen Nerudas anhand historischer Aufnahmen nach, folgt seinen Spuren in die zahlreichen Länder, die er bereiste und lässt neben Zeitzeugen auch Neruda selbst zu Wort kommen. Die Stimme leiht ihm der Schauspieler Otto Sander, er liest aus Nerudas biografischen Texten: "Es geht mir nicht um Politik oder Poesie, sondern um die Menschenrechte."

Begründung der Jury

Er war Chilene und ein Weltbürger, er war Politiker, und er war ein Dichter. Was er vor allem anderen war, das spielt keine Rolle, denn er war Pablo Neruda.
"Neruda" und nur "Neruda" hat Ebbo Demant seinen Film überschrieben. Ein Name, eine Biographie, ein Superlativ. Einen "Dichter der verletzten Menschenwürde" nannte ihn die Stockholmer Akademie, als Pablo Neruda 1971 den Nobelpreis zuerkannt bekam.

Pablo Neruda hat das 20. Jahrhundert gelebt, er half, um nur ein winziges Detail hervorzuheben, hunderten Bürgerkriegsflüchtlingen aus Spanien heraus, wie ihm 1949 bei seiner Flucht aus Chile geholfen wurde.
Der Autor und Regisseur Ebbo Demant weiß das alles. Er nimmt den Menschen Neruda und hinterfängt ihn mit den Menschen seiner Zeit; eine Persönlichkeit und ihr Panorama treten hervor. Weggefährten, Freunde, Orte, die Neruda geprägt haben, Zitate aus dem lyrischen Werk, aus Nerudas Autobiographie, aus Briefen, Aufzeichnungen, aus Interviews: Demant braucht und nutzt seine 120 Filmminuten, um dieses quecksilbrige Leben, diesen überbordenden Reichtum der Poesie ins Bild, gerne ins superb schwelgerische Bild zu fassen.
Ebbo Demant führt den Nachweis, dass Nerudas Lyrik nichts von ihrer Kraft, ihrer Sinnlichkeit und ihrer Eindringlichkeit verloren hat. Pablo Neruda hat die Welt und seine Umwelt "poetisiert". Millionen Menschen haben dem Poeten zugehört, sie haben ihn verstanden. Wenn das Wort des deutschen Lyrikers Nicolas Born stimmt, wonach ein Gedicht immer der kürzeste Weg zur Wahrheit sei, dann ist Pablo Neruda ein, wenn nicht der Wegweiser unter den Lyrikern dieser Welt.

Wer will beim Sehen und Genießen von Ebbo Demants Film nicht aufseufzen? Aufseufzen darüber, wie fern die Zeit scheint, die einen Dichter, einen Intellektuellen als die politische und literarische Stimme eines Zeitalters, eines Kontinents, Lateinamerikas gefeiert hat. Ebbo Demant feiert Pablo Neruda. Und unter der Hand beschreibt er einen Verlust.

 
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