41. Grimme-Preis 2005

Grüße aus Kaschmir (ARD / BR)

Adolf-Grimme-Preis an

Bernadette Heerwagen (Darstellung)

René Ifrah (Darstellung)

Harald Göckeritz (Buch

Miguel Alexandre (Regie)

Stab

Redaktion: Bettina Reitz, Bettina Ricklefs und Jochen Löscher (BR)

Produktion: TV60 Filmproduktion GmbH, Bernd Burgemeister, Sven Burgemeister

Buch: Harald Göckeritz (Preisträger)

Regie: Miguel Alexandre (Preisträger)

Kamera: Peter Indergand

Schnitt: Andreas Herzog

Darsteller: Bernadette Heerwagen (Preisträgerin), René Ifrah (Preisträger), Elena Uhlig, Wolfram Berger u.a.

Sendelänge: 90 Min.

Erstausstrahlung: Mittwoch, 10.11.2004, 20.15 h

Inhaltsangabe

Lisa lernt Sharif kennen. Der junge Mann aus Kaschmir arbeitet als Ingenieur in München. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf, verbringen eine Nacht miteinander - es scheint der Anfang einer großen Liebe zu sein.

Doch schon bald wird das junge Glück auf eine harte Probe gestellt. Lisa stellt fest, dass sie schwanger ist, doch sie zögert noch, Sharif davon zu erzählen. Denn der beginnt, sich immer mehr zu verändern. Der Grund dafür ist eine Begegnung, die sein Leben völlig aus der Bahn wirft.

Sein Bruder Tajjab taucht plötzlich auf und bittet ihn um seine Hilfe bei einem Terroranschlag. Sharif sieht sich mit seiner Vergangenheit und seinen kulturellen Wurzeln konfrontiert. Die Eltern der Brüder wurden bei der Besetzung Kaschmirs vom indischen Militär ermordet. Tajjab rettete Sharif damals das Leben. Doch anstatt an seiner Seite für die Unabhängigkeit seines Volk zu kämpfen, sei Sharif davon gelaufen, wirft ihm der Bruder vor. Sharif ist zerrissen zwischen seiner Vergangenheit und seiner Gegenwart, fühlt sich schuldig und glaubt für seine Ehre einstehen zu müssen.

Lisa bekommt schon bald Besuch von der Polizei, denn Tajjab wird international gesucht. Sie beginnt zu ahnen, in welchen Konflikt Sharif hineingeraten ist. Doch auch ihre Schwangerschaft, von der sie ihm endlich erzählt, kann Sharif nicht mehr aufhalten. Er entscheidet sich gegen das Leben und für den Terror.

Begründung der Jury

"Grüße aus Kaschmir" ist ein Fernsehfilm, der ein besonders brisantes politisches Thema unserer Gesellschaft aufgreift: Welche Motive spielen eine Rolle, wenn ein Mensch zum Terroristen wird? Ist es überhaupt möglich die Beweggründe nachzuvollziehen?

Die Verknüpfung von Privatem und Politischem wird anhand der beiden Protagonisten eindringlich geschildert.

Sharif als zentrale Figur ist ein politischer Flüchtling aus Kaschmir, der sich scheinbar gut in das soziale und gesellschaftliche Leben in Deutschland integriert hat und hier eine neue Heimat gefunden hat. Nach seinem Studium hat er einen entsprechenden Job gefunden und die Liebesbeziehung zu Lisa, einer jungen Deutschen, bringt eine neue persönliche Perspektive für beide. Mit der Ankunft des als Terrorist gesuchten, in der Illegalität lebenden älteren Bruders verändert sich die Situation. Die gemeinsame Vergangenheit und die von seinem Bruder eingeforderte Solidarität verändern das bisherige Leben zunächst schleichend und am Ende radikal.

In eindringlicher Weise schildert der Film, wie Schuldgefühle, familiäre Zusammengehörigkeit und politisches Denken das persönliche Handeln bestimmen. Gleichzeitig wird mit der Figur der Lisa die Frage thematisiert, wann und wie es Möglichkeiten der Gegensteuerung gegeben hätte. Eine eher unpolitische persönliche Lebenseinstellung erhält immer stärker eine politische Dimension.

Der Wandel in der Beziehung und in den Einstellungen der beiden Hauptpersonen wird emotional nachvollziehbar aber ohne Pathos erzählt. Bewusst verzichtet der Film auf reißerische Aktionen und setzt auf eher ruhige Bilder.

Auch wenn mit der Figur des Sharif durch Empathie die Veränderung der Person und letztlich die Entscheidung für den Weg in den Terrorismus nachvollziehbar gemacht wird, führt dies nicht zu einer Billigung terroristischer Handlungen.

Die Wandlung vom unpolitischen zum politisch verantwortlich handelnden Menschen wird in der Figur der Lisa sinnlich erfahrbar, mit den damit verbundenen Ängsten und Zweifeln. Der Film fordert dazu auf, sich selbst mit politischen Entwicklungen und kulturellen Hintergründen auseinander zu setzen. Kaschmir erscheint hierbei als ein Synonym für politische Konfliktherde auch in anderen Regionen der Welt.
Mit "Grüße aus Kaschmir" ist es gelungen, das heute aktuelle und die politische Realität mitbestimmende Thema des Terrorismus auf eindringliche Art persönlich werden zu lassen: Die einzelnen Protagonisten werden nicht aus der eigenen Verantwortung für ihr Handeln entlassen; eine vordergründige Schuldzuweisung wird vermieden, der Terrorismus nicht beschönigt.

 
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