41. Grimme-Preis 2005

Arnies Welt (ARD/WDR)

Adolf-Grimme-Preis an

Isabel Kleefeld (Buch/Regie)

Caroline Peters, Jörg Schüttauf und Matthias Brandt (Darstellung)

Stab

Produktion: Little Shark Entertainment

Buch: Isabel Kleefeld nach dem Roman von Maeve Carels

Regie: Isabel Kleefeld

Kamera: Rainer Klausmann

Schnitt: Andrea Mertens

Darsteller: Caroline Peters, Jörg Schüttauf, Enno Hesse, Ernst Alisch u.a.

Redaktion: Dr. Barbara Buhl

Erstausstrahlung: Mittwoch, 3.5.2006, 20.15 h

Sendelänge: 90 Min.

Inhaltsangabe

Über die Osterferien ist der siebenjährige Arnie zu Besuch bei seinen Großeltern in einem verschlafenen Nest irgendwo in der Eifel. Der Junge langweilt sich und streift mit seinem Plüschlöwen unter dem Arm durch den Ort. An einer Landstraße wird er Zeuge eines Autounfalls. Ein Mann kommt dabei ums Leben, der junge Polizist Marc Fischer. Gerade erst war er befördert worden und hatte seinen Abschied von der alten Dienststelle mit seinem Kollegen Horst Bäumer gebührend gefeiert.

Die Polizisten hatten zu viel getrunken. Damit das nicht herauskommt, ist Bäumer auch schnell mit der erstbesten Theorie zum Unfallhergang zufrieden. Ein Reh wird Fischer wohl vor das Auto gesprungen sein, der habe dann nicht mehr ausweichen können. Dass es tatsächlich aber nicht so war, weiß nur Arnie. Bäumers Frau Hannah kommt langsam dahinter. Sie fühlt sich selbst wie eine Gestrandete in dem kleinen Ort, sie hat psychische Probleme, ihre Ehe steht kurz vor dem Aus, und die Einheimischen beäugen sie misstrauisch.

Als auch Hannah ziellos durch das Dorf wandert, lernt sie Arnie kennen und erfährt, dass an dem Unfall noch ein weiteres Auto beteiligt war. Doch plötzlich verschwindet der kleine Junge. Soll er als unliebsamer Zeuge womöglich aus dem Weg geräumt werden? Zusammen mit dem Dorfbriefträger Enno macht sich Hannah auf die Suche nach Arnie.

Begründung der Jury

Wie jeder gute Film birgt dieser Film viele Geschichte, die zum Schluss nicht am Ende sind. Ein kleiner Junge wird Zeuge eines tödlichen Unfalls, und weil er etwas gesehen hat, was niemand sonst gesehen hat, gerät er in Gefahr. Der Film entführt uns in eine dörfliche Welt, die er als Spielfläche eindringlich und emphatisch erkundet, ohne sie herabzuwürdigen. Hier zählt jeder Blick, jedes fliehende Wort, jedes Ding, das von einer Hand zur anderen geht. Der Film hütet seine Motive so umsichtig wie ein Schäfer seine Herde. Die Figuren, die in diesem Erzählkosmos leben, sind aus Fleisch, Blut und Atem. So lebendig können Erfundene durch unser Leben gehen, wir wollen sie für Bekannte halten, für Freunde.

Der Film schafft das Kunststück, komisch, tragisch, melodramatisch und sentimental zu sein – und doch geht nichts durcheinander. Ein Ehedrama, eine soziale Studie, ein Kriminalfilm, eine Komödie, all das und noch mehr. Selten haben wir so eine wunderbar einleuchtende und durchdachte Besetzung erlebt: Die fundamentale Verlassenheit des Kindes Arnie wird von Bruno Schubert sehr anschaulich gemacht (ohne jede Kindersüßlichkeit), die triste Sprachlosigkeit des Kommissars wird von Jörg Schüttauf zur beredsamen Körpersprache gebracht, seine fiebrig-nervöse Frau wird von Caroline Peters mit unverbraucht anmutender Expressivität ausgestattet, der blassgesichtige Zivildienstleistende bekommt durch Enno Hesse ein faszinierendes Doppelgesicht aus Schuld und Scham verliehen, Matthias Brandt macht den schrullig-scharfen schnapsgeprüften Briefträger zu einer kostbar-komischen Miniature, Friedrike Frerichs bleibt als liebesunfähige Großmutter und alles richtende Sittenwächterin in lebhafter Erinnerung, und Ernst Alisch, ihr Mann, verkörpert eindringlich jene gallige Güte, die sich nach mehr Güte und weniger Galle sehnt. Rainer Klausmann, der Kameramann, malt keine ländlichen Idyllen, sondern macht Räume, Orte und Flächen zu Metaphern des Sozialen.

Isabel Kleefeld hat diesen ausnahmslos schönen, scharf schauenden und spannenden Film zu verantworten. Als Regisseurin und Autorin hat sie bewiesen, dass sie sich auf lakonische Bilder versteht, die alles sagen, weil sie nicht schwätzen. Sie hat ihrem Film einen Rhythmus verliehen, der uns nicht gewaltsam mitreißt und überwältigt, sondern uns glauben macht, wir hören zwischen all den Bildern ein Herz schlagen. Es gehört nicht einem allein.

 
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