60. Grimme-Preis 2024

Grimme-Preis Spezial an Anna Dushime (Host)

... für ihre Gesprächsführung in „Der letzte Drink mit Anna Dushime“ (Steinberger Silberstein für rbb)

 

Produktion: David Steinberger

Erstveröffentlichung: ARD Mediathek, Donnerstag, 9. November 2023

Sendelänge: 28 Minuten

 

Inhalt:

„Der letzte Drink“ erinnert daran, dass das Genre der Talkshow im Grunde genommen nichts anderes macht, als reale menschliche Kommunikation zu medialisieren. In dieser Pilotfolge eines angedachten, aber noch nicht weiter produzierten Formats geschieht genau das: In einer – ansonsten leeren – Berliner Hotelbar trifft die Moderatorin, Anna Dushime, auf einen prominenten Gesprächspartner, es ist Roberto Blanco, und unterhält sich mit ihm.

Es gibt kein Publikum vor Ort, keinen Applaus. Nur zwei Menschen, die sich unterhalten. Es gibt auch keinen formalen Sendungsbeginn, nur einen Gesprächsbeginn, „Schön, dass Du da bist“, vor dem allerdings ein Sendungsausschnitt mit einem Kernstatement des Gastes und Bilder aus dem Aufzeichnungsbeginn mit Teilen des Produktionsteams gezeigt werden, Klappe eingeschlossen. Nur eine einzige weitere Person ist im Verlauf der Sendung noch zu sehen, meist im Hintergrund und einmal bei seiner Arbeit, nämlich der Barkeeper Alessandro Vailati.

Die knapp 30-minütige Sendung wird durch zwei Zäsuren untergliedert: Nach 10 Minuten gibt es eine musikunterlegte Nachschminkpause, nach 15 Minuten bestellen Anna Dushime und Roberto Blanco Drinks beim Barkeeper, deren Zubereitung – ebenfalls mit Musik unterlegt – in Großaufnahme gezeigt wird.

 

Begründung der Jury:

Es gibt Grimme-Preise, die überraschen, und solche, die man fast schon erwarten konnte. Dieser Preis gehört eindeutig in die erste Kategorie: Ein Preis für eine Talkshow? Von der es nur eine Pilotfolge gibt? Hinzu kommt, dass es eine ausgesprochen minimalistische Produktion ist, mit der der rbb zeigt, dass man auch mit kleinem Budget gutes Unterhaltungsfernsehen machen kann.

Damit so etwas gelingt, ist eine wichtige Voraussetzung, dass auf alle Details geachtet wird. Was hier in beispielhafter Weise geschieht: Die Wahl der Location, Licht, Kamera, Schnitt, alles ist perfekt. Hinzu kommt eine bemerkenswerte Musik, die im Hintergrund dafür sorgt, dass der Handlungsort als ausgesprochen edel markiert wird – allein die Wahl des Stückes „Mr. Bojangles“, gesungen von Sammy Davis Jr., bei den Schlussbildern und dem Abspann, besser geht’s nicht.

Aber das allein rechtfertigt noch keinen Grimme-Preis. Den hat sich Moderatorin Anna Dushime verdient, weshalb es auch ein Grimme-Spezial ist. Sie ist Journalistin, Redaktionsleiterin der Produktionsfirma Steinberger Silberstein (die auch „Der letzte Drink“ produziert hat) und Teil des Casts von „Browser Ballett – Satire in Serie“, einer Produktion des gleichen Unternehmens.

Bei ihrer Talkshow-Premiere hat es die Gastgeberin mit einem schwierigen Gast zu tun, Roberto Blanco, mit dem sie manches verbindet, von dem sie aber auch vieles trennt. Beim entspannten Talk an der Hotelbar treffen sich eine Schwarze Künstlerin und ein Schwarzer Künstler verschiedener Generationen, die mit dem Problem, in einer mehrheitlich nicht-Schwarzen Gesellschaft zu leben, sehr unterschiedlich umgehen. An manchen Stellen entsteht zwar der Eindruck, dass beide aneinander vorbeireden, aber Anna Dushime gelingt es dank hervorragender Vorbereitung, guter Nerven, Intelligenz und Beharrlichkeit immer wieder, zu ihren Themen zurückzukommen, etwa Rassismus und Geschlechterprivilegien. Obwohl Roberto Blanco sie häufig unterbricht, mindert das erkennbar nicht ihren Respekt vor seiner Lebensleistung.

Auf sehr unterhaltsame Weise erfährt das Publikum hier Unerwartetes. So will Roberto Blanco nicht über sein Privatleben reden, die Behauptung, mit über 1000 Frauen geschlafen zu haben, rechnet er aber offenbar nicht dazu. Oder dass es für ihn kein Problem war, als Schwarze Person in Deutschland aufzufallen, weil es für seine Karriere nützlich war, Anna Dushime dagegen in jüngeren Jahren lieber als weißer Mann geboren worden wäre, des leichteren Lebens und des Gefühls von Zugehörigkeit wegen.

Anna Dushime beweist hier durch ihre Gesprächsführung, dass mit Mut und Talent selbst eine schlichte Talkshow zu einem herausragenden Fernsehereignis werden kann.

 
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