60. Grimme-Preis 2024

Drei Frauen – Ein Krieg

(EIKON Media/SD Cinematografica für rbb/WDR/ARTE )

 

Grimme-Preis an:

Luzia Schmid (Buch/Regie)

Yana Höhnerbach (Montage)

 

Produktion: Katarina Cvitić, Ulli Pfau, Roberto Dall'Angelo

Erstausstrahlung: ARTE, Dienstag, 17. Oktober 2023, 22.50 Uhr

Sendelänge: 106 Minuten

 

Inhalt:

Krieg als „Vater aller Dinge“ galt durch die Jahrhunderte als Sache der Männer. Frauen wurde die Rolle zugeschrieben, diese in der Heimat zu unterstützen. Martha Gellhorn, Lee Miller und Margret Bourke-White wollten sich damit nicht zufriedengeben, sie gehörten zu den ersten akkreditierten Kriegsreporterinnen der Geschichte. Als Reporterin und Fotografinnen berichteten sie im Zweiten Weltkrieg von unterschiedlichen Fronten. Ihr Blick auf das Leiden und Sterben an der Front ist ein anderer als der ihrer Kollegen. Luzia Schmid hat ihnen in ihrem Dokumentarfilm „Drei Frauen – Ein Krieg“ ein Denkmal gesetzt. Sie erzählt ausschließlich aus der Perspektive ihrer drei Protagonistinnen. Sie nutzt deren Fotos, Reportagen, Briefe und Tagebucheinträge, gemeinsam mit Yana Höhnerbach bettet sie diese beeindruckenden Zeitdokumente mit großer Sorgfalt in offizielles Filmmaterial der Alliierten ein. Die Frauen reisen durch Europa, berichten direkt von der Front, von der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau, von der Begegnung mit besiegten Deutschen. Die Konfrontation mit Leid und Tod verändert auch ihren anfangs beinahe euphorischen Blick auf den Krieg. So wurden sie zu wichtigen Zeitzeuginnen, die den Zuschauer*innen und Leser*innen ermöglichen, sich dem Geschehen auf eine andere Art zu nähern.

 

Begründung der Jury:

Lee Miller, Margret Bourke-White und Martha Gellhorn haben im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte geschrieben. Mit einem untrüglichen Gespür für die Seiten des Krieges, die in offiziellen Verlautbarungen des Militärs nicht zur Sprache kommen, erweitern sie unseren Horizont. Luzia Schmid zeigt diese drei Frauen jenseits der Bruchstücke ihrer Biografien, die gemeinhin bekannt sind. Lee Miller etwa war eben viel mehr als die Frau, die in Hitlers Badewanne saß.

Schmid lässt bewusst nur die drei Frauen zu Wort kommen. Nina Hoss (Martha Gellhorn), Simone Kabst (Lee Miller) und Eva Meckbach (Margaret Bourke-White) lesen die Reportagen, Briefe und Tagebucheinträge in der deutschsprachigen Fassung eindrücklich, verzichten aber auf jede Effekthascherei. Die Textstellen sind mit Bedacht ausgewählt und verdeutlichen, mit wie viel Mut, Selbstreflexion und Klugheit die drei Frauen agierten. Sowohl die Texte als auch die Fotos bettet Schmid in Filmaufnahmen amerikanischer Kameraleute ein, die immer passgenau verdeutlichen, worüber gerade gesprochen wird.

Auch wenn die Kriegsberichterstattung naturgemäß im Zentrum des Filmes steht, gelingt es Schmid, die vielschichtigen Charaktere ihrer Protagonistinnen auch jenseits ihrer Berufsausübung zu zeigen. Allen dreien ist sehr bewusst, dass sie als Frau eine Sonderstellung in der Berichterstattung einnehmen, und sie reflektieren ihre Rolle immer wieder aufs Neue.

Aufgrund der Entscheidung, die Geschehnisse chronologisch zu erzählen, werden die Zuschauer*innen Zeug*innen der Entwicklung der Frauen. Stehen zu Beginn vor allem Abenteuerlust und Begeisterung für den Krieg im Vordergrund („Es ist großartig, die Bomben einschlagen zu sehen“, „Das wird ein schöner langer Krieg“), wandelt sich der Blick auf das Geschehen. Durch die Konfrontation mit Leid, Tod und Zerstörung verändern die Frauen die Haltung zu den Ereignissen, Yana Höhnerbach hebt dies durch ihre sorgfältige Montage noch hervor. Am Ende ist der Ton der Texte nachdenklich und geprägt von dem festen Glauben daran, die Verheerungen und Verbrechen des Krieges schonungslos schildern zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist es richtig und konsequent, dass Schmid zum Teil schwer erträgliche Bilder von befreiten Insass*innen der Konzentrationslager und von den Todesopfern des größten Menschheitsverbrechens zeigt.

Die Konzentration der drei Berichterstatterinnen auf die Opfer des Krieges, die der Film konsequent in seinen Bildern spiegelt, verhindert jegliche Verherrlichung des Geschehens. Helden sucht man hier vergebens. Vor dem Hintergrund der Kriege unserer Tage ist „Drei Frauen – Ein Krieg“ so auch ein aktueller Kommentar und ein Plädoyer für den Frieden.

 
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