52. Grimme-Preis 2016

Weissensee (MDR/Degeto)

Grimme-Preis an

Friedemann Fromm (Buch/Regie)

Annette Hess (Buch)

Frank Godt (Szenenbild)

Marc Müller-Kaldenberg (Produktion)

Regina Ziegler (Produktion)

Jörg Hartmann (Darstellung)

Ruth Reinecke (Darstellung)

Produktion: Ziegler Film

Erstausstrahlung: ab 29.09.2015 bis 1.10.2015, ARD

Sendelänge: 50’

Stab

Buch: Annette Hess, Friedemann Fromm

Regie: Friedemann Fromm

Produktion: Regina Ziegler, Marc Müller-Kaldenberg

Kamera: Michael Wiesweg

Schnitt: Annemarie Bremer, Eva Schnare

Ton: Jürgen Göpfert

Darsteller: Florian Lukas, Jörg Hartmann, Uwe Kockisch, Ruth Reinecke, Karin Sass, Anna Loos, Lisa Wagner u.v.a.

Redaktion: Jana Brandt und Wolfgang Voigt (MDR)

Inhalt

Kurz bevor die Mauer fällt, wird der charismatische Pfarrer Robert Wolff ein Opfer der Stasi und genauer von Generalmajor Falk Kupfer. Denn Wolff ist eine zentrale Figur der Bürgerrechtsbewegung „Demokratisches Forum“ und der Geliebte von Vera, Falks Exfrau. Er wird verhaftet und kommt dabei angeblich durch einen Unfall ums Leben. Falk gelingt es, das als Selbstmord darzustellen. Was Falk nicht weiß: Eine West-Journalistin hat ihn zufällig bei Wolffs Festnahme fotografiert. Die Journalistin Katja ahnt nicht, dass Martin, den sie im Osten kennengelernt hat, Falks Bruder ist. 
Während Martin und Katja sich näherkommen, vollzieht sich für Regimegegner und MfS-Mitarbeiter der große Umbruch. Falk denkt an die Zukunft und legt ein Privatarchiv mit brisanten Informationen aus den Stasiakten an. Vater Hans, ebenfalls ein hoher Stasi-Offizier, händigt dagegen seiner früheren Geliebten, der Diseuse und Bürgerrechtlerin Dunja Hausmann, ihre Stasi-Akte aus. Dennoch taucht das Material in der West-Presse auf. Dunja ist als öffentliche Person erledigt. Während Drahtzieher Falk alles tut, um das „Demokratische Forum“ zu schwächen, wird es für ihn gefährlich…

Martin findet endlich seine Tochter Anna wieder. Das Kind wurde Martins verstorbener großer Liebe Julia Hausmann bei der Geburt in Stasi-Haft entzogen und für tot erklärt. In Wahrheit lebt Anna bei einer liebevollen Familie, die sie für ihr eigenes Kind hält. Martin muss erkennen, dass sein Bruder Falk die Verantwortung für Annas Schicksal und Julias Tod trägt. Und das ist nicht nur Martin bekannt – Falk wird erpresst.

Begründung der Jury

Wie lange kann diese Serie noch weitergehen? Die dritte Staffel Weissensee lässt uns hoffen: noch sehr lange! Irgendwann reicht er vielleicht sogar bis in die Gegenwart, der Lebensweg der Familien Hausmann und Kupfer aus Ost-Berlin, mit dem uns Annette Hess und Friedemann Fromm seit 2010 beweisen, wie großartig deutsche Serie sein kann. Die erste Staffel spielt im Jahr 1980; mittlerweile ist Weissensee im Jahr 1989 angekommen. Es ist ein spannendes Gedankenspiel, sich vorzustellen, wie weit es der talentierte Stasi-Generalmajor Falk Kupfer nach dem Mauerfall bringen wird und wie der wunderbare Jörg Hartmann das dann spielt.

Und wenn in der dritten Staffel der Blick auf ein schwarz gerahmtes Foto von Julia Hausmann fällt, dann merkt man, wie mächtig diese Erzählung ist: Der Zuschauer ist längst Teil davon, auch seine eigene Erinnerung an Julia altert und verblasst ganz melancholisch, aber die mit ihrem Tod verbundene Schuld wirkt wie eine verborgene Treibkraft in den Figuren fort. Wo stehen die Kupfers, die Hausmanns heute? In Weissensee erweisen sich Regimekritiker als Zuträger der Stasi, und MfS-Funktionäre wie Hans Kupfer finden zu gutmenschlicher Milde. „Wenn dich das, was du tust, glücklich macht, schön“, sagt Hans Kupfer zum skrupellosen Falk, „aber erwarte nicht, dass es mich auch glücklich macht.“ Da ist die Mauer schon offen und nichts mehr so, wie es mal war.

Die Figuren durchleben diese deutsche Schicksalszeit, aber sie sind immer mehr als nur Prototypen aus dem Geschichtsbuch. Von „Götterdämmerung“ hat Friedemann Fromm gesprochen, Produzentin Regina Ziegler nennt Falk Kupfer in Anspielung auf „Dallas“ liebevoll den „Stasi-JR“. Weissensee ist Serienfernsehen auf international konkurrenzfähigem Niveau. 
Die dritte Staffel konzentriert sich auf die knapp zwei Monate zwischen Mauerfall und Stürmung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße. So zeigen sich die Stärken des Projekts noch präziser. Überragend ist die Qualität, mit der hier Geschichtsvermittlung stattfindet. Die Aufbruchs- und Untergangsstimmung der Wendezeit ist bis in die Details stimmig inszeniert. Und doch packt die Serie uns nicht beim Verstand, sondern bei den Emotionen.

Mit den Mitteln des Fernsehens wird hier nicht weniger als ein unvergleichlicher Roman unserer Zeit erzählt.

 
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