44. Grimme-Preis 2008

KDD – Kriminaldauerdienst (ZDF)

Adolf-Grimme-Preis an

Orkun Ertener (Buch)

Kathrin Breininger (Produktion)

Manfred Zapatka (stellv. für das Darstellerteam)

Stab

Produktion: Hofmann & Voges Entertainment, Kathrin Breininger

Buch: Orkun Ertener

Regie: Matthias Glasner, Lars Kraume, Filippos Tsitos

Kamera: Sonja Rom, Hanno Lentz, Ralph Netzer

Schnitt: Andreas Althoff, Barbara Gies

Darsteller: Götz Schubert, Manfred Zapatka, Saskia Vester, Barnaby Metschurat, Melika Foroutan, Billey Demirtas, Jördis Triebel u.a.

Redaktion: Axel Laustroer, Klaus Bassiner

Erstausstrahlung: ab 2.2.2007, jeweils freitags, 21.15 h

Sendelänge: Pilot 90 Min., 10 x 45 Min.

Inhaltsangabe

Foto: ZDF/Marc MeyerbroekerSie sind die ersten am Tatort, Tag und Nacht... Dienstgruppenleiter Helmut Enders und seine Kollegen arbeiten beim Kriminaldauerdienst in Berlin: ein hektischer Job, bei dem es oft um Minuten geht, der an den Nerven zerrt und gleichzeitig Sensibilität verlangt. Ob Leichenfund, Raub, Vergewaltigung, Vandalismus oder Kindesentzug – die KDDler ermitteln so lange, bis die Fachabteilungen der Polizei übernehmen. Ihre persönlichen Probleme müssen da häufig zurückstehen. Doch manchmal verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Arbeit und Privatleben auf dramatische Weise. Jan Haroska, ein trockener Alkoholiker, zählt zu den Erfahrensten im Team. Er hat finanzielle Sorgen, will seine verwitwete Tochter unterstützen. Als in der Wohnung des Drogendealers Han eine Bombe hochgeht, findet Haroska am Tatort bündelweise Geld. Das steckt er heimlich in die eigene Tasche und gerät so zwischen die Fronten. Der Dealer selbst ist auf dem Weg, eine große Nummer in Berlins Szene zu werden. Er weiß um die Verstrickungen etwa hoher LKA-Beamter in das Drogenmilieu. Die korrupten Polizeifunktionäre wollen Han ausschalten. Zeitgleich ist auch Haroskas Chef Enders dem Dealer auf der Spur. Seine Tochter Lisa wurde im Drogenrausch bei einem Autounfall getötet... Die TV-Serie erzählt in fast dokumentarischem Stil den hektischen Alltag auf der Dienststelle und fügt streiflichtartig die jeweiligen Fälle ein. Den Handlungsrahmen aller Folgen stellen die privaten Schicksale von insgesamt sieben Polizisten.

Begründung der Jury

Der deutsche Kriminalfilm hat eher einen ausgeprägten Hang zur Gemütlichkeit, zu ermittelnden Gutmenschen, gedrosseltem Tempo und geschlossenen Dramaturgien. Die Serie „KDD-Kriminaldauerdienst“ bricht mit vielem und stürzt den Zuschauer in einen bekömmlichen Schwindel. Endlich einmal kein Kommissar, der die Welt rettet, sein Bundesland repräsentieren muss, das Chaos bannt und die Menschen in Gut und Böse teilt; einmal keine Ohrensessel-Betulichkeit, sondern, stattdessen, Tempo, Rasanz, fordernde Dramaturgien, gebrochene Charaktere, Kriminale mit schmuddeliger Weste.

Da ist allen voran Jan Haroska, trockener Alkoholiker, der schmutziges Drogengeld unterschlägt, um seine Tochter zu unterstützen. Manfred Zapatka, der Spezialist für Grautöne und Grenzgänger, spielt ihn fabelhaft. Da ist der Chef Helmut Enders, dessen biederes Familienidyll zerbricht, als seine Tochter bei einem durch Drogen verursachten Verkehrsunfall ums Leben kommt: Götz Schubert brilliert hier als taumelnder Vorgesetzter. Da ist Kristin Bender, berührend gespielt von Saskia Vester, die nicht wagt, sich vor den Kollegen zu ihrer lesbischen Lebenspartnerin zu bekennen. Da ist Leo Falckenstein, ein Sensibelchen mit Helfersyndrom, der von Barnaby Metschurat voller Empathie gezeichnet wird. Und schließlich begegnen wir Sylvia Henke, die sich mit nymphomanen Anwandlungen plagt und von Melika Foroutan – mit im deutschen Krimi oft entbehrter Coolness – zum Leben erweckt wird. Und da ist endlich der türkische Kollege Mehmet Kilic – bezwingend intensiv von Billey Demirtas verkörpert –, der sich in eine arrangierte Ehe fügt und nicht genau weiß, wo seine Heimat ist. Das sind Helden ohne Heldenbild, das sind Kommissare ohne Trenchcoat ums Herz und Hut auf der Seele.

Autor Orkun Ertener hat dieses unheile-heilsame Welt auf die Beine gestellt und seinen Figuren eine Tiefe verliehen, die ansonsten in diesem Genre selten anzutreffen ist. Die Serie sträubt sich gegen den linearen Erzählfluss, sie nimmt dezentrierte Welt- und Alltagserfahrungen ernst und übersetzt sie in Bilder, welche die Sinne herausfordern. Regisseure wie Matthias Glasner, Lars Kraume und Filippos Tsitos setzen die Bücher kongenial um und lassen die Figuren nervös durch ihre Leben tanzen. Und die Kamera, stellvertretend sei hier Sonja Rom genannt, ist hungrig, zupackend, im ewigen Unruhezustand. „KDD-Kriminaldauerdienst" schmückt als Serie das deutsche Fernsehen – in Zeiten, wo die deutsche Serie eher als Krisengenre von sich reden macht, ist das ein kleines, fast ein großes Wunder.

 
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