58. Grimme-Preis 2022

Schwarze Adler

(Broadview Pictures für Amazon Prime Video/ZDF)

 

Grimme-Preis an

 

Torsten Körner (Buch/Regie)

 

Erstausstrahlung/-veröffentlichung:
Amazon Prime Video, Donnerstag, 15. April 2021, 00.00 Uhr

Lauflänge: 100 Minuten

 

Inhalt

Der Kauf eines XXL-Waschmittelkartons brachte Torsten Körner auf die Idee für seinen Film. Reinheit und strahlendes Weiß bewarb dort die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Der abgebildete Spieler war weiß. Körner fragte sich, wie es den Schwarzen Spieler:innen ergangen sein muss, wenn selbst heute Diversität anscheinend immer noch keine Selbstverständlichkeit ist.

Sein Dokumentarfilm „Schwarze Adler“ lässt erstmals Schwarze Spieler:innen der deutschen Fußballnationalmannschaft ihre persönlichen Geschichten erzählen. Welche Hürden mussten sie überwinden? Was macht der alltägliche Rassismus mit ihnen? Wie war ihre Situation früher, wie ist sie heute? Körner verbindet die Interviews mit Archivmaterial, das zeigt, wie offen rassistisch lange Zeit über Schwarze Deutsche berichtet wurde.

Ihre Geschichten erzählen nicht nur davon, was es bedeutet, vor Tausenden von Menschen im Stadion und vor Millionen vor den Fernsehern angefeindet zu werden. Sie werfen auch ein Licht darauf, wie Zuschauer:innen, Medien und die deutsche Gesellschaft mit dem Thema Rassismus umgehen. Der Film zeigt, wie lange es gedauert hat, bis zumindest ein erstes Bewusstsein für diesen strukturellen Rassismus entstanden ist und wie viel auch heute noch im Argen liegt.

 

Begründung der Jury

Torsten Körner hat das Thema seines Dokumentarfilms klug gewählt. Der Fußball, der Deutschen liebstes Kind, gilt gemeinhin als besonders integrativ und wirbt auch oft mit diesem Image. „Schwarze Adler“ verdeutlicht eindrucksvoll und einfühlsam, dass rassistische Beleidigungen und Anfeindungen für Schwarze Spieler:innen jahrzehntelang zum Alltag gehörten und ihnen auch heute immer noch häufig begegnen.

Der Film überzeugt, weil er strukturellen Rassismus in Bilder kleidet. Er erzählt mit sorgfältig ausgewählten Archivaufnahmen, die zum Teil nur schwer zu ertragen sind, wie Schwarze Fußballnationalspieler:innen vor den Augen einer großen Medienöffentlichkeit jahrzehntelang exotisiert und beleidigt wurden, von Fans, von Trainer:innen, von Sportjournalist:innen.

Körner lässt ausschließlich die Menschen zu Wort kommen, die von diesem Rassismus betroffen sind. Sehr offen und persönlich berichten 14 Spieler:innen aus fünf Jahrzehnten deutscher Fußballgeschichte – darunter Erwin Kostedde, Jimmy Hartwig, Shary Reeves und Beverly Ranger – von ihren Erfahrungen.

Dabei weist der Film ihnen nie eine Opferrolle zu. Er zeigt erfolgreiche Sportler:innen, die ihren Weg trotz der vielen Hürden, die ihnen die Gesellschaft in den Weg legte, gegangen sind. Sie sprechen offen über ihre häufig schmerzhaften Erinnerungen und haben den Mut, ihre Verletzungen zu zeigen. Aber selbst wenn etwa bei Shary Reeves Tränen fließen, geht es nicht um Mitleid. Die Spieler:innen fordern vielmehr den Respekt ein, der ihnen lange verwehrt blieb.

Überzeugend ist zudem die Montage des präzisen, nie manipulativ eingesetzten Archivmaterials und der eigenen Interviews. Körner weiß genau, was er zeigen will, und er tut es erhellend und auch filmisch elegant. Er verzichtet auf jede Kommentierung oder Einordnung, die Bilder und Interviews sprechen für sich.

Angesichts der allgegenwärtigen Fußballberichterstattung ist es zudem eine erstaunliche Leistung, eine so noch nie gesehene Fußballgeschichte zu erzählen, deren Relevanz sich aber sofort erschließt.

Körner begnügt sich nicht damit zu zeigen, wie ausgeprägt der Rassismus in vergangenen Jahrzehnten war. Er schaut auch auf die Gegenwart und gewährt den Zuschauer:innen keine Entlastung. Hier kann sich niemand mit einem wohligen Schauer zurücklehnen, weil ja jetzt vermeintlich alles gut ist.

Körner zeigt, wie tief verwurzelt Rassismus in der deutschen Gesellschaft und somit auch im Fußball war und immer noch ist. Deshalb ist „Schwarze Adler“ ein so wichtiger Film, der sich nicht nur an Fußballfans richtet, sondern an alle Menschen, die in diesem Land leben.

 
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