50. Grimme-Preis 2014

The Voice of Peace - Der Traum des Abie Nathan (NDR)

PreisträgerInnen

Eric Friedler (Buch/Regie)

Andrea Schröder-Jahn (Schnitt)

Produktion: NDR

Erstausstrahlung: Sonntag, 02.01.2014, 22.30 Uhr, 1Extra

Sendelänge: 89 Min.

Inhalt

Die Frequenz, auf der Abie Nathan mit seinem Sender „The Voice of Peace“ sendete, erreichte Millionen von Menschen. Ägypter, Palästinenser, Jordanier, Syrer – oder eben auch Israelis. Über Länder- und Glaubensgrenzen hinweg, vermittelte er eine Botschaft: Frieden. „Es ist das erste Mal. Und wir sollten es doch wenigstens probieren“, erklärt Nathan einem Fernsehreporter sein Vorhaben. Und sein Traum sollte wahr werden. Mit einer Handvoll Freiwilliger machte er sich auf in die Krisenregionen seiner Zeit: Naturkatastrophen, Hungersnöte, Kriegsschäden – Abie Nathan verließ sich nicht auf Organisationen, sondern mobilisierte Freiwillige und Sponsoren, half spontan und unbürokratisch. Sein persönlicher Charme und die Leidenschaft für seine Sache öffneten ihm die Türen bei damals prominenten Künstlern und Staatsmännern. Mit ungewöhnlicher Direktheit und überraschenden Gesten setzte er maßgeblich den Aussöhnungsprozess zwischen der arabischen Welt und Israel in Gang. Obwohl es für israelische Staatsbürger verboten war, in ein muslimisches Land zu reisen, flog er in einer kleinen Maschine nach Ägypten, wo er jubelnd empfangen wurde. „Damals“, erinnert sich ein Weggefährte, „waren Araber für uns noch so etwas wie Ungeheuer. Aber plötzlich bekam dieses Bild einen Riss.“ Und dennoch: An Abie Nathan erinnert sich heute in Israel kaum noch jemand. Nach ihm ist noch nicht einmal eine Straße benannt. Dafür erinnern sich in „The Voice of Peace“ Freunde, wie Schimon Peres, Michael Caine, Yoko Ono oder ehemalige Kollegen an Nathans Wirken und seinen Traum von einer heilbaren Welt.

Stab

Producer: Silke Schütze

Federführender Sender: NDR

Buch/Regie: Eric Friedler

Kamera: Frank Groth, Thomas Schäfer

Schnitt: Andrea Schröder-Jahn

Redaktion: Patricia Schlesinge

Jurybegründung

Was für ein Mann, was für eine Geschichte. Abie Nathan war israelischer Kampfpilot und Friedensaktivist. Ein Bohemien und ein politischer Kämpfer. Er flog mit einem Kleinflugzeug nach Port Said in Ägypten, als ganz Israel noch dachte, dort lebten nur Barbaren  und er ging dafür in Israel ins Gefängnis. 1976 fuhr mit einem Schiff durch den Suezkanal und verhandelte persönlich mit dem ägyptischen Präsidenten die Bedingungen. Er schüttelte Yassir Arafat die Hand und ging dafür wieder ins Gefängnis – drei Jahre, bevor Schimon Peres Arafat die Hände schüttelte und dafür den Friedensnobelpreis bekam. Er erwarb Vermögen und gab es wieder aus, um bei den Hungerkatastrophen in Biafra, Kambodscha und Äthiopien unmittelbar und direkt zu helfen. 
Außerdem betrieb er zwanzig Jahre lang, seit 1973, auf einem Schiff den Piratensender „Voice of Peace“, außerhalb der Dreimeilen-Zone vor Israel. Von hier, „von irgendwo im Mittelmeer“. ließ er Popmusik und politische Friedensbotschaften in den Nahen Osten ausstrahlen. Unterstützt wurde er von internationalen Popstars, von John Lennon, George Harrison, Gloria Gaynor, Joan Baez, Pete Seeger. Jugendliche in allen Ländern der Region hörten den Sender, zeitweise hatte er zwölf Millionen Hörer. 
Was für ein Mann, was für eine Geschichte. Und doch ist Abie Nathan weitgehend vergessen, über den Wendungen und Wirrnissen der Nahostpolitik aus dem Gedächtnis verschwunden. Eric Friedler holt diesen widersprüchlichen Mann und sein politisches Handeln in seinem Dokumentarfilm ins Gedächtnis zurück. Er erzählt dieses Leben mit sorgfältig recherchiertem Dokumentarmaterial und einer beeindruckenden Menge prominenter Zeitzeugen, von Zubin Mehta bis Daniel Barenboim, von Michael Caine bis Yoko Ono.  Der Musik dieser Jahre gibt der Film den Raum, den sie braucht, ohne sie in einen Musikteppich zu verwandeln. Er gibt ihr den Zeitgeist zurück, aus dem sie geboren wurde, ihren popkulturellen Einspruch zu Kalten Kriegern und harten Militaristen.

Verschiedene Generationen werden diesen Film vielleicht ganz unterschiedlich wahrnehmen, pendelnd zwischen Verwunderung und Bewunderung, zwischen Nostalgie und Utopie. Allen aber stellt diese Geschichte die stets aktuelle Frage: Wie wollen wir handeln? Abie Nathan hielt es mit Ghandi: Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.

 
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