48. Grimme-Preis 2012

Walulis sieht fern (Tele5)

PreisträgerInnen

Philipp Walulis

für

Walulis sieht fern (Tele5)

Produktion: : afk tv

Inhalt

„Wenn die Realität zu langweilig wird, muss man täuschen“, erklärt Philipp Walulis. Gerne greift er gescriptete Formate wie „Bauer sucht Frau“ oder die „Schulermittler“ auf, um zu zeigen, wie Fernsehen auch gemacht werden kann – aber nicht unbedingt sollte. Im Mittelpunkt steht bei „Walulis sieht fern“ das Fernsehen mit seinem bunten Programm: von seicht bis ernsthaft, von Trash bis anspruchsvoll. Zahlreiche Programmwunder werden schnell entzaubert. In Philipps Fernseh-Fibel lernt der Zuschauer etwas über die Kunst des Fernsehmachens und schnell wird klar, dass es sich auch beim Dschungelcamp bereits um „Mittelschichtenfernsehen“ handelt. Bei Walulis bleibt der Humor eben nicht auf der Stecke. In einem Einspieler zeigt er nicht nur in 123 Sekunden einen exemplarischen Tatort, mit dem er die Dramaturgie der Krimi-Reihe aufs Korn nimmt, sondern zeigt auch, wieso Fernsehen und Voyeurismus unmittelbar miteinander zusammenhängen. „Abwärtsversicherung“ nennt Walulis das Phänomen. Anderen geht es offenbar immer noch ein wenig schlechter. Wenn sie nicht wenigstens noch etwas dicker sind als man selbst, sind sie zumindest weniger intelligent. „Walulis sieht fern“ ist Fernsehen über Fernsehen. Das Material rekrutiert sich dabei vor allem aus Casting-Shows, fiktiven Partnervermittlungen im Privatfernsehen, Kochsendungen und allerhand Boulevard-Formaten. Der junge Gastgeber kommt dabei jedoch nicht als neunmalkluger Fernsehnovize daher, sondern vielmehr als jemand, der mit zwinkerndem Auge die eigene Branche karikiert.

Stab

Walulis sieht fern (Tele5)

Produktion: afk tv

Federführender Sender: Tele5

Buch: Philipp Walulis, Tobias Klose

Regie: Philipp Walulis

Kamera: Chris Fay

Schnitt: Philipp Walulis

Ton: Tobias Ebner, Thomas Schröder

Musik: Sebastian Fischer

Moderation: Philipp Walulis

Redaktion: Tina Lohmann (Tele5), Klaus Kranewitter (afk tv)

Erstausstrahlung: Tele5, ab Donnerstag, 8.12.2011, 00.40 Uhr

Sendelänge: je 25 Min.

Jurybegründung

In den (Un-)Tiefen des Programmangebots – beim Kleinsender Tele 5 nach Mitternacht – verborgen, findet sich eine der vergnüglichsten Entdeckungen des TV-Jahres. „Walulis sieht fern“ amüsiert den Normalzuschauer und lässt den professionellen Fernsehbeobachter geradezu diebische Freude empfinden. In vier Halbstündern zieht das Format treffsicher alles durch den Kakao, was populäres Format-TV heute ausmacht. Die ewig gleiche „Tatort“-Stanze wird ebenso entlarvt wie das StandardPrinzip hinter Coaching-, Dating- oder Koch-Doku-Soaps.

 

Philipp Walulis und seine Mitstreiter beobachten so präzise, dass ihre Form der Satire als wertvoller Beitrag zu Medienkritik und Medienpädagogik durchgehen kann. Schon mancher Journalist und Wissenschaftler hat sich wortreich an den modernen Nerv-Phänomenen abgearbeitet, die der Preisträger spielerisch auf den Punkt bringt. Obwohl mit schmalstem Budget produziert, sind seine Parodien auf das typische „D-Promi-Dinner“ oder das einschlägige „Landwirt sucht Liebe“ im Look erfrischender und in der Pointensicherheit ergiebiger als viele große Prime-Time-Comedys.

 

Mit dem „Typischen Tatort in 123 Sekunden“, dem Glanzstück der Reihe, ist Walulis zudem ein echtes Social-Media-Phänomen gelungen: rund 350.000 YouTube-Abrufe innerhalb von zwei Monaten. Am Präsidiumsschreibtisch fragt der Kommissar die Kommissarin: „Sag mal, weshalb sind wir eigentlich so unterschiedlich?“ Sie: „Damit Spannung zwischen uns entsteht.“ Er: „Und was bringt das dem Zuschauer?“ Sie: „Hin und wieder wird es deshalb zu lustigen Situationen zwischen uns kommen.“ Später will er wissen: „Haben wir eigentlich schon ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz?“ Sie: „Du meinst den verkrampften sozialkritischen Einschlag? Kommt jetzt – Atomlobby!“

 

Die Spielfreude von Walulis’ Freunden und Bekannten, die ihn vor der Kamera unterstützen, verwandelt fies-feine Texte in sehenswerte Kabinettstückchen. Zwar begleitet Walulis das eigene Medium mit kritischem, teils deftigem Humor, doch erfreulicherweise bleiben ihm sowohl der übertriebene Aufklärungsgestus als auch der Zynismus mancher Medienmagazine fremd. „Fernsehen macht blöd – aber auch unglaublich viel Spaß!“, heißt das gelebte Motto des Preisträgers. Diese Einstellung kann der Branche wie ihren Konsumenten nur gut tun. Eine Fortsetzung von „Walulis sieht fern“ ist aus Sicht der Grimme-Jury daher dringend angeraten.

 
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