45. Grimme-Preis 2009

Suzan Sekerci (Buch/Regie) für Djangos Erben (SWR/ARTE)

Das Eberhard-Fechner-Förderstipendium der VG Bild-Kunst wird vergeben an
Suzan Sekerci (Buch/Regie)

für

Djangos Erben
(SWR/ARTE)

Produktion: Chroma Film & TV

Stab

Produktion: Chroma TV, Simone Thiel

Buch/Regie: Suzan Sekerci

Kamera: Thierry Taieb, Svea Anderson

Schnitt: Maria Hemmleb

Redaktion: Gudrun Hanke-El Ghomri (SWR)

Erstausstrahlung: Montag, 9.6.2008, 23.20 Uhr

Sendelänge: 89 Min.

Inhaltsangabe

 Szenenbild: Djangos Erben; Foto: SWRFür Manusch Weiß wird ein Traum wahr: mit seiner Band, dem Café Royal Salonorchester, darf der 30-Jährige beim Django-Reinhardt-Festival in Samois-sur-Seine bei Paris auftreten. Die Bewerbung, das Warten und schließlich die Zusage der Veranstalter sind aber nur der Rahmen für die Filmemacherin Suzan Sekerci, denn eigentlich zeichnet sie ein Portrait der Familie Weiß, begleitet sie durch ihren Alltag, erzählt von ihrer Geschichte und geht dabei zurück bis in die Nazi-Zeit, wo viele Mitglieder der Familie in den KZs gedemütigt und ermordet wurden. Manusch und seine Familie sind Zigeuner: seit 25 Jahren quasi sesshaft in einer eigenen Siedlung in Hamburg. Emil, mit 80 Jahren Ältester und damit Oberhaupt des riesigen, weit verzweigten Clans, erinnert sich, dass er sogar eine Wand aus seinem Bungalow herausbrach, um den Wohnwagen in das Gebäude integrieren zu können. Zu unheimlich war es ihm anfangs, in ein Haus umgesiedelt zu werden. Jetzt haben sie sich daran gewöhnt, aber ihre Traditionen bewahren sie weiterhin – ungeachtet vieler Vorurteile, denen sie auch heute noch begegnen: Sie achten die deutschen Gesetze, leben aber auch nach eigenen Regeln. So sprechen sie untereinander ihre eigene Sprache, auch wenn diese sich mehr und mehr dem Deutschen anpasst. In ihren Pässen werden sie sogar zu deutschen Namen gezwungen, sagt Helmut. Doch in seiner Familie und auf der Bühne bleibt Helmut der, der er wirklich ist: Manusch mit dem großen Traum von der Musik...

Begründung der Jury Szenenbild: Djangos Erben; Foto: SWR

Manusch Weiß ist Musiker und hat einen Traum: einmal mit seiner Gruppe „Café Royal Salonorchester“ auf dem berühmten Django-Reinhardt-Festival in Samois-sur-Seine nahe Paris auftreten. Er versteht sich als Erbe des berühmten Jazz-Gitarristen und sagt: „Django war ja für uns als Zigeuner eine Art Botschafter, er hat uns was geschenkt: die Art und Weise, wie wir spielen.“ Emil Weiß ist 80 Jahre alt und Oberhaupt eines großen Clans von Sinti, er besteht auf den kulturellen Traditionen: „Wir sind richtige Zigeuner, ja, das stimmt. Aber wir sind hier in Deutschland groß geworden, und da halten wir uns daran. Wir pflegen die deutschen Gesetze, aber wir haben auch unsere eigenen Gesetze.“ Die beiden Männer sind die Protagonisten in Suzan Sekercis Dokumentarfilm „Djangos Erben“.

Die Autorin eröffnet mit ihrem ersten langen Film einen aufschlussreichen Blick in die den meisten Menschen unbekannte Lebenswelt einer Sinti-Großfamilie. Diese Familie ist schon seit 170 Jahren in Hamburg sesshaft. Mit ihren Wohnwagen zieht sie nur noch in den Schulferien zu Familientreffen.

Ein Jahr lang hat die Filmemacherin Mitglieder der Familie beobachtet, mit ihnen vor der Kamera gesprochen. In ruhigen und einfühlsamen Bildern kann sie beschreiben, wie vor allem die junge Generation immer stärker in den Zwiespalt von Tradition und moderner Welt gerät. „Wir leben in zwei Welten“, sagt Manusch Weiß, und er fügt hinzu: „Es ist wirklich so, dass wir Zigeuner uns selbst ausgrenzen. Wir sind ja von unseren Großeltern fast schon so erzogen worden.“

Zugleich, das erfahren wir in diesem an Beobachtungen reichen Film, werden auch die jungen Sinti immer noch im Alltag diskriminiert und ausgegrenzt. Selbst der Gebrauch ihrer originären Vornamen ist deutschen Behörden suspekt. Der Verlust der eigenen Sprache, des Romanes, ist absehbar. Auch scheinen Traditionen innerhalb des Clans allmählich brüchig zu werden. Noch haben allein die Männer das Sagen. Frauen müssen Röcke tragen und können höchstens als Wahrsagerinnen Geld dazuverdienen. Aber das eine oder andere Gespräch vor der Kamera lässt auch schon Abkehr von den Rollenmustern erkennen.

Mit ihrer differenzierenden, gelassenen und genauen Beobachtung gelingt es Suzan Sekerci, diese Welt im Zwiespalt und Umbruch erfahrbar zu machen und dieser gesellschaftlichen Minderheit ein Gesicht und eine gewichtige Stimme zu geben. Produktiv untergräbt sie damit auch Vorurteile, die gegen Zigeuner immer noch existieren.

 
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