44. Grimme-Preis 2008

Eine Stadt wird erpresst (ZDF/ARTE)

Adolf-Grimme-Preis an

Dominik Graf (Buch/Regie)

Rolf Basedow (Buch)

Alex Fischerkoesen (Kamera)

Uwe Kockisch (Hauptdarstellung)

Stab

Produktion: BurkertBareiss/TV60 Film, Gloria Burkert, Andreas Bareiss, Bernd Burgemeister

Buch: Dominik Graf, Rolf Basedow

Regie: Dominik Graf

Kamera: Alex Fischerkoesen

Schnitt: Hana Müller

Darsteller: Uwe Kockisch, Mišel Maticevic, Julia Blankenburg, Thomas Neumann, Hubertus Hartmann, Arved Birnbaum, Lutz Teschner u.a.

Redaktion: Caroline von Senden (ZDF)

Erstausstrahlung: Freitag, 23.2.2008, 20.40 h

Sendelänge: 89 Min.

Inhaltsangabe

Foto: ZDF/Julia von Vietinghoff3. März 2006, Punkt Mitternacht: Bombenalarm im Leipziger Rathaus. Während sich Polizei und Sprengstoffexperten mit der vermeintlichen Bombe beschäftigen, die auf einem Spielzeugauto durch die nächtlichen Flure fährt, geschieht der eigentliche Anschlag an einer anderen Stelle. Eine Explosion an einem Hochspannungsmast legt das gesamte Stromnetz der Stadt lahm. Es soll noch mehr Bomben geben, teilen die Täter über ein Handy mit, das sie im Rathaus deponiert haben. Sie fordern 20 Millionen Euro in Diamanten. Kommissar Dietrich Kalinke übernimmt die Ermittlungen, ein heruntergekommener Polizist mit umstrittener DDR-Vergangenheit. Zusammen mit seinem Team organisiert er die Lösegeldübergabe, die an zwei Orten stattfinden soll. Der Versuch, die Erpresser dabei zu stellen, scheitert: mit der einen Hälfte der Diamanten flüchten sie durch die Kanalisation, mit der anderen verschwindet ein Hund in einem Wald. Die Spur des Tieres führt Kalinkes Team in den kleinen Ort Gralwitz, der am Rande eines Foto: ZDF/Julia von VietinghoffBraunkohleabbaugebietes liegt. Das Dorf wirkt verlassen, die meisten Bewohner haben ihre Häuser an die Bergbaugesellschaft verkauft. Nur noch wenige Menschen wehren sich standhaft gegen den staatlich geförderten Ausverkauf ihres Heimatortes. Bei den Ermittlungen innerhalb der verschworenen Dorfgemeinschaft wird Kalinke mit seinen Erinnerungen an einen 20 Jahre zurückliegenden Einsatz konfrontiert. Damals wurde der Unfalltod eines Mädchens durch die Stasi vertuscht...

Begründung der Jury

Ein klassischer Polizeifilm. Und doch ein Solitär, ein Glanzstück des Genres, mit dem Dominik Graf und sein Drehbuchautor Rolf Basedow ein weiteres Mal Maßstäbe setzen. Denn dies ist nicht nur ein brillanter, bis in die kleinsten Details kunstvoll realistisch komponierter Thriller über polizeiliche Ermittlungsarbeit – hier wird ein zugleich menschliches, politisches und soziales Drama ausgelotet, das im Osten Deutschlands spielt und Szene für Szene, bis zum tödlichen Finale, in seiner Ausweglosigkeit enthüllt wird.

Mitreißend dynamisch vorangetrieben und virtuos gebaut die Exposition des Thrillers, der zunächst nach Leipzig führt, wo eine Erpresserbande in der Nacht mit gezielten Sprengstoffanschlägen die Stadt in Dunkel hüllt und spektakulärere Anschläge androht, falls die Forderung nach Diamanten im Wert von 20 Millionen Euro nicht erfüllt wird. Professionelle Erpresser scheinen da am Werk, die mit ausgefuchster Strategie und raffinierter Überwachungstechnik den Polizisten immer um mehrere Schritte voraus sind. Aber dann führt die Spur in ein trostloses Dorf in der Umgebung Leipzigs, und der Thriller beginnt seine eigentliche Geschichte zu erzählen: die Geschichte der Zerstörung einer Landschaft durch rabiaten Braunkohleabbau und der daraus folgenden Vertreibung der Bewohner. Es ist ein erbitterter Kampf gegen Existenzvernichtung, den die verbliebenen Bewohner führen und der ihnen schließlich keinen anderen Ausweg mehr gelassen hat als den, in einem gemeinschaftlichen kreativ-kriminellen Akt die Stadt Leipzig zu erpressen, um ihren vom Konkurs bedrohten kooperativen Betrieb zu retten.

Großartig die Kameraarbeit von Alexander Fischerkoesen, der die unwirtliche Weite der Ost-Landschaft und die verschlossenen Mienen der Bewohner im Stil eines pessimistischen Westerns visualisiert. Herausragend Uwe Kockisch in der Rolle eines mit Intuition begabten, menschlich aber abgewrackten Polizisten, der sich schon zu DDR-Zeiten nicht ins System gefügt hat und es nach der Wende umso weniger mit den Opportunisten hält. Mit jeder seiner sparsam gesetzten Gesten, jedem sarkastischen Zucken um Mund- und Augenwinkel gibt er die faszinierende Charakterstudie eines Polizisten, der einen hohen Preis für seine Unkorrumpierbarkeit zu zahlen hat, und wird zum Kraftzentrum dieser meisterhaften Teamarbeit.

 
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