43. Grimme-Preis 2007

Deutschland. Ein Sommermärchen (ARD/WDR)

Adolf-Grimme-Preis an

Sönke Wortmann (Buch/Regie/Kamera)

Stab

Produktion: Shark TV, Tom Spieß, Sönke Wortmann

Buch/Regie: Sönke Wortmann

Kamera: Frank Griebe und Sönke Wortmann

Schnitt: Melania Singer

Redaktion: Matthias Kremin

Erstausstrahlung: Mittwoch, 6.12.2006, 20.15 h

Sendelänge: 105 Min.

Inhaltsangabe

Der Begriff „Sommermärchen“ ist längst ein Synonym geworden: für eine heitere Fußballweltmeisterschaft, für die Leistung eines unterschätzten Teams, für die Ausgelassenheit, die Freude, die Weltoffenheit und den Stolz, die ganz Deutschland im Sommer 2006 ergriffen haben. Sönke Wortmann hat die deutsche Mannschaft während dieser Zeit mit der Kamera begleitet und kam den Spielern und Trainern dabei so nah wie es keinem Filmteam zuvor gelang.

Auf diese Weise nimmt er uns Zuschauer mit in das Trainingslager nach Sardinien, ins Berliner Schlosshotel im Grunewald, in die Stadien und in die Kabinen. Wir sehen die Spieler schwitzen, wenn sie mit ungewohnten Trainingsmethoden fit gemacht werden, wir erleben „Poldi“ und „Schweini“, auf ihren Hotelbetten rumlümmelnd wie bei einer Klassenfahrt. Wir werden Zeuge von Jürgen Klinsmanns flammenden Reden, mit denen er seine „Jungs“ motiviert, auch Gegnern wie Polen, Argentinien oder Italien furchtlos entgegenzutreten. Wir erleben die Spannung der Spieler, die Feierlaune nach den Siegen und die unendliche Trauer, als der Traum vom Titel doch platzt.

Und wir nehmen mit den „Klinsmännern“ noch einmal ein Bad in der Menge beim Abschied auf der Berliner Fanmeile. „Deutschland. Ein Sommermärchen“ hat vier Millionen Kinobesucher und mehr als zehn Millionen Fernsehzuschauer begeistert, so viele wie kein Dokumentarfilm vorher – weil sich alle erinnern wollten an den Zauber des Sommers 2006, als „wir“ nicht Weltmeister geworden sind…

Begründung der Jury

Thorsten Frings hat sich unmittelbar nach der Niederlage gegen das italienische Fußballteam in den hintersten Winkel des Kabinenflurs zurückgezogen und stiert ins Nichts. Seine Kollegen, die ohne den zuvor gesperrten Mittelfeldspieler gerade auf dem Platz untergegangen sind, leiden stumm. In dem Moment ist Sönke Wortmann der Sieger.

Sein Dokumentarfilm „Deutschland. Ein Sommermärchen“ hat damit die notwendige Dramaturgie erhalten. Während sich die Fernsehanstalten mit Analysen der externen Experten um Franz Beckenbauer in Szene setzen, ist Wortmann mitten unter den gestürzten Helden. Er erlebt, wie sehr es schmerzt, körperlich und seelisch, wenn ein viel besungener Traum geplatzt ist.

Mit seinem Dokumentarfilm krönt der Fußballfan Sönke Wortmann das Medienereignis des vergangenen Jahres. Durch seine exklusive Innenansicht schafft er es, die Wesenszüge des sonst unergründlich in die Kameras grinsenden Global Players Jürgen Klinsmann zu ergründen. Wie geschmiert verzahnen sich die Rädchen dessen WM-Maschinerie: Fitnesstrainer aus USA, Gegner-Scout aus der Schweiz, analytischer Co-Trainer aus dem Badischen, Rückendeckung von der Bundeskanzlerin, immerzu Ehrgeiz und Leidenschaft – selbst an der Tischtennisplatte. Bei allem Wir-Gefühl, das sich nach wochenlangem Beieinandersein in der Kabine breit macht, steht Wortmann mit seiner Kamera zuweilen fasziniert daneben. So in Augenblicken, wenn die kasernierten Spieler Deutschland im Ausnahmezustand – beim Fernsehgucken in der Hotellobby – erleben. Mag das Volk von Fußball-Experten noch so sehr über seine Helden philosophieren: Wortmann lässt seine Kamera die Legendenbildung um Traineransprachen in der Kabine entlarven. Klinsmann hüpft wie Rumpelstilzchen. Er schreit und fuchtelt; und die Spieler haben den Tunnelblick.

Sönke Wortman hat durch eine große Anzahl filmischer Stilmittel ein Werk geschaffen, das den höchsten formalen Anforderungen entspricht und gleichzeitig ein Millionenpublikum vor den Fernsehschirmen, im Kino und als DVD begeisterte. Er setzt Schnitte ein wie ein Skalpell, beweist großen Mut zur Stille; lässt sich die Bilder fast überschlagen, wenn die Fans aus dem Häuschen geraten. Seine Kamera verfolgt, zieht sich wieder zurück und beobachtet, hin und wieder überrumpelt sie – atemberaubend, meisterhaft. Die Musik untermalt dabei klug das Visuelle. Hier kommen ausschließlich die Protagonisten zu Wort; und Wortmann nimmt sich – völlig untypisch in der Welt der Sportberichterstattung – uneitel zurück.

 
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