40. Grimme-Preis 2004

Werner Reuß

für den Aufbau vorbildlichen Bildungsfernsehens (BR alpha)

Begründung der Jury

Der Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens kommt in der Praxis vielfach nur noch in populärwissenschaftlichen Magazinen und Formaten zum Ausdruck. BR-alpha, der einzige deutschsprachige Bildungskanal, greift eine Tradition wieder auf, die fast vergessen schien: das Massenmedium Fernsehen konsequent auch für Bildungszwecke zu nutzen.

Werner Reuß ist der Macher und Vordenker von BR-alpha. Er war von Intendant Prof. Albert Scharf und Fernsehdirektor Prof. Gerhard Fuchs im Juli 1997 mit der Aufgabe betraut worden, innerhalb weniger Monate mit kleinem Projektteam und schmalem Budget ein Bildungs-Vollprogramm von 24 Stunden täglich aufzubauen. Nach nur sechsmonatiger Entwicklungsarbeit startete BR-alpha am 7. Januar 1998 unter der Leitung von Werner Reuß mit fünf Eigenproduktionen und interdisziplinärer Programmzulieferung aus den Dritten Programmen.
Danach baute Werner Reuß den Bildungskanal mit Weitsicht stetig aus zu einem Bildungskanal par excellence. Er entwickelte dabei innovative und mutige Formate, die sich Themen mit einem besonderen gesellschaftlichen Stellenwert widmen wie das Magazin "Anschi und Karl-Heinz", in dem zwei Trickfiguren Kindern Wissen über die Weltreligionen vermitteln, oder die Serie "Deutsch Klasse", die sich mit Gefühl und Verständnis dem Thema Integration nähert, als erste Produktion zugleich deutsche und ausländische Mitbürger/-innen anspricht und beide Seiten zur Integration einlädt. Werner Reuß findet die richtige Mischung von Inhalt und Publikumsattraktivität: Er verknüpft die klassischen Bildungsideale mit den Ansprüchen modernen Fernsehens.
BR-alpha vermittelt Bildung ohne erhobenen Zeigefinger und hebt sich damit wohltuend von der Unterhaltungsdominanz im Fernseh-Angebot ab. Durch die konsequente Nutzung des Komplementärmediums Internet wird die Bildungswirkung verstärkt. Dass Werner Reuß Bildung in bester humanistischer Tradition umfassend interpretiert und dem Zeitgeist widersteht, Bildung mit beruflicher Verwertbarkeit gleichzusetzen, zeigt sich am Programmspektrum von BR-alpha. Dort findet sich der klassische Bildungskanon mit Themen wie Literatur, Kunst, Musik, Philosophie und Kultur.
Der Auf- und Ausbau von BR-alpha durch Werner Reuß zu einem Bildungssender mit mittlerweile 30 Eigenproduktionen stellt eine bemerkenswerte programm- und medienpolitische Leistung dar. Auch wenn der Marktanteil eines Spartenkanals naturgemäß klein ist, so braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch künftig einen Bildungssender wie BR-alpha, um sein Profil zu schärfen.

 
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