40. Grimme-Preis 2004

Leben wäre schön (ARD/BR)

Adolf-Grimme-Preis an:
Kai Wessel (Regie)
Dagmar Manzel (Hauptdarstellerin)

Redaktion: Gabriela Sperl
Produktion: Allmedia Film & Fernseh GmbH, Heike Richter-Karst
Buch: Beate Langmaack
Regie: Kai Wessel
Kamera: Holly Fink
Musik: Georg Kleinebreil
Darsteller: Dagmar Manzel, Gabriela Maria Schmeide, Filip Peeters, Amelie Kiefer, Hans Korte u.a.
Sendelänge: 88 Min.
Erstausstrahlung: Mittwoch, 22.10.2003, 20.15 h (ARD)

Inhalt

Manja Grüneberg ist eine engagierte Mutter. Sie ist 42, Bauingenieurin, hat eine pubertierende Tochter und sorgt für ihren ins Alter kommenden, eigenbrötlerischen Vater. Dies alles als allein erziehende Mutter zu koordinieren, kostet sie viel Kraft, macht sie aber auch stolz. Uta, Manjas beste Freundin, lebt in Island zusammen mit ihrem Mann Erlendur. Manja besucht beide auf der schönen Insel und dabei lernt sie Utas Schwager Ragnar kennen.
Aus der ersten schüchternen Begegnung mit dem Vulkanforscher, der Manja in die Geheimnisse der isländischen Natur einweiht, entwickelt sich rasch ein heftiger Urlaubsflirt, bald eine tiefere Bindung. Dann ertastet Manja einen Knoten in ihrer Brust. Sie leugnet die Gefahr, hat Angst. Nur einer einzigen Person vertraut sie sich an: ihrer besten Freundin Uta. Uta überredet sie, sich von einem Spezialisten untersuchen zu lassen.
Die Ungewissheit über ihre Zukunft und die Angst vor dem möglichen Verlust ihrer Weiblichkeit macht es Manja unmöglich, sich Ragnar weiterhin emotional zu öffnen. Ragnar spürt nur, dass etwas nicht stimmt. Er zieht sich zurück. Auch mit ihrer Tochter vermeidet sie jede mögliche Aussprache.
"Es gibt so eine Sehnsucht nach Vorhersehbarem" sagt Kai Wessel zu seinen Film über Brustkrebs, der tatsächlich aber von erfülltem und nicht erfülltem Leben handelt.

Begründung der Jury

"Leben wäre schön" ist ein Fernsehfilm, in dem die Hauptfigur Manja Grüneberg - gespielt von Dagmar Manzel - an Brustkrebs erkrankt. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung überhaupt. Und sehr oft tödlich. Nicht nur statistisch. Menschlich.
Im Film von Kai Wessel (Regie) und Beate Langmaack (Buch) wird ordentlich gelebt - und nicht so schnell gestorben. Die außergewöhnlich gelungene Exposition wirft einen mitten in den Alltag der Bauingenieurin Manja Grüneberg und ihrer halbwüchsigen Tochter Miriam.
"Leben wäre schön" heißt der Titel, der die besondere Stimmung des Films ausgezeichnet trifft. Leben ist schön, so lange man als allein erziehende Mutter "nur" solche Sorgen hat. Leben ist schön, wenn die Ferien vor der Tür stehen und man den schrulligen Vater vorübergehend allein zuhause lassen kann. Leben ist schön, wenn eine Mutter zusammen mit ihrer Tochter, die bald flügge werden wird, noch mal in den Urlaub fahren und die beste Freundin in Island besuchen kann.
Voller Leben und Humor steckt die Frauenfreundschaft zwischen Manja und der warmherzigen Uta (Gabriela Maria Schmeide).
Fernsehen ist schön, wenn man eine Schauspielerin wie Dagmar Manzel auf Manjas Reise ins archaische Island und zu sich selbst begleiten darf. Manzel lässt den Betrachter, der sich auf sie einzulassen wagt, die Distanz zum Fernseher und ihrer Figur verlieren. Sie macht einen mitfreuen, mitlachen, mitärgern, mitleiden, mitweinen - und am Ende auch mit überleben. Vorübergehend. Am Schluss des Films wird Manja eine Brust weniger haben - und mit dem Leben davongekommen sein. Vorerst. In einer der letzten Szenen steht Manja wie Gevatterin Tod unter einer großen Kapuze verborgen am Strand. Manja lächelt. Sie wird sterben. Irgendwann. Bis dahin wird gelebt.
Eins allerdings ist klar: Eine schauspielerische Leistung wie die Dagmar Manzels ist ohne ihren Regisseur, Kai Wessel, nicht denkbar. Viel Schweres, was in den Dialogen - wohlweislich - unausgesprochen bleibt, machen uns sorgfältig komponierte Bilder und Szenen mit Leichtigkeit verständlich. In alter erzählerischer Tradition lässt Wessel keinen geschwätzigen Menschen, sondern die stumme Landschaft die zweite Hauptrolle spielen. Holly Finks Kamera fängt die elementare Gewalt dieses wasserumspülten, eisigen, Feuer spuckenden Fleckens nördlicher Erde ein. Immer wieder neu schweift Manjas und unser Blick über dieses wilde, rohe Land. Der Blick ins Weite hilft ihr und uns aus Manjas Todesangst und innerer Beklemmung. Leben. Ist. Schön.
Vita Kai Wessel
Kai Wessel wurde 1961 in Hamburg geboren. Bereits 1983 begann Kai Wessel die "Hamburger Wochenschauen" fürs Kino zu drehen. Er war verantwortlich für Buch, Kamera, Schnitt und Produktion. Bei Ottokar Runze und Christian Görlitz arbeitete er ab 1985 als Regieassistent.
Es folgte von 1986 bis 1989 der dokumentarische Kinofilm "Hamburg - Bilder einer großen Stadt", bei dem Kai Wessel Co-Regie führte. Neben dem europäischen Drehbuchpreis erhielt Kai Wessel zwei Nominierungen für den Adolf-Grimme-Preis.
Vita Dagmar Manzel
Dagmar Manzel wurde 1958 in Berlin (DDR) geboren. Sie studierte an der Schauspielschule "Ernst Busch" in Berlin und erhielt 1980 ihr erstes Engagement am Staatsschauspiel Dresden. Von 1983 bis 2001 war sie Ensemblemitglied des Deutschen Theaters in Berlin.
In bester Erinnerung ist Dagmar Manzel als Eva Klemperer in der Verfilmung der Klemperer-Tagebücher und als Mutter Matt - die Bäckerin, die eigentlich Seiltänzerin werden wollte - aus dem TV-Dreiteiler "Der Laden" (1998).
Trotz eindeutiger Präferenz für die Theaterbühnen, erlangte Dagmar Manzel so auch bei einem Fernsehpublikum große Bekanntheit.

 
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