40. Grimme-Preis 2004

Die Helfer und die Frauen (ZDF/3sat)

Adolf-Grimme-Preis an:
Karin Jurschick (Buch/Regie)

Redaktion: Inge ClassenBuch/Regie/
Produktion: Karin Jurschick
Kamera: Rainer Komers, Karin Jurschick
Sendelänge: 80 Min.
Erstausstrahlung: Sonntag, 30.11.2003, 21.55 h

Inhalt

Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo und Bosnien-Herzegowina bemühen sich die Vereinten Nationen, die NATO-geführten Friedenstruppen SFOR und KFOR sowie internationale Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) um Demokratie und Menschenrechte in den betroffenen Gebieten.

Karin Jurschick dokumentiert eindrucksvoll die Schattenseite dieser Hilfe: Aus Nachbarländern wie Moldawien werden Frauen unter dem Vorwand verschleppt, ein neues Leben in Mitteleuropa beginnen zu können. Anschließend werden sie im Kosovo ausgesetzt und in die Prostitution getrieben.

Der Handel mit den Frauen, das so genannte "Trafficking", stellt eine Schattenwirtschaft dar, die erst mit den internationalen Hilfsorganisationen Einzug in die Krisenregionen hält. Durch diese finanzstarke Kundschaft blüht sie auf. Jetzt erst versuchen "die Internationalen" einem Problem Herr zu werden, das sie selbst erst verursacht haben. Dies geschieht z.B. durch das STOP-Team (Special Trafficking Operation Programme), eine Sondereinheit der inzwischen aufgelösten UN-Mission in Bosnien. Mittels Razzien und Rückführungsprojekten bekämpft sie das "Trafficking".

Der Film dokumentiert die Zustände im heutigen Bosnien, gibt Aufschluss über die Strukturen der involvierten Organisationen und reflektiert das Verhältnis von Militarisierung und Missbrauch von Frauen.

Begründung der Jury

Wenn Nato und UN in Kriege eingreifen, kommen deren Schutztruppen, um Demokratie und Menschenrechte durchzusetzen. Im Gefolge wird zugleich eine Missachtung der Menschenrechte in das jeweilige Land miteingeführt: nämlich der internationale Handel mit Frauen zur Prostitution ("Trafficking"). Damit beschäftigt sich der Film "Die Helfer und die Frauen".

Autorin Karin Jurschick hat sich hier eines im mehrfachen Sinne schwierigen Themas angenommen. Aufzuzeigen, wie die Helfer mit den hehren Absichten gegenüber schmutzigen Geschäften die Augen verschließen, erweist sich dabei als eine durchaus undankbare Aufgabe, um nicht zu sagen als eine "Mission impossible". Da nämlich von den betroffenen politischen Organisationen und militärischen Verbänden niemand das Problem zugibt, es im Gegenteil sogar weggeredet wird, hat die Autorin ihren Film als eine zähe, fast kriminalistische Indizienrecherche anlegen müssen. Die gesammelten Aussagen von Tätern und Opfern, von engagierten Frauen, die das Übel bekämpfen, und Militärs wie Politikern, die es leugnen, werden äußerst aufschlussreich gegenübergestellt. Dabei werden die Arroganz der (männlichen) Macht, Verlogenheit und geheuchelte Moral ebenso deutlich wie die Hilflosigkeit, Verzweiflung und Abhängigkeit der (weiblichen) Opfer.

Die Thematik des Films ist im Hinblick auf die Gepflogenheiten des dokumentarischen Genres in jeder Hinsicht unbequem. Dieser Umstand hätte die meisten Filmemacher sicher von vornherein von diesem Tabuthema abgehalten, denn es ist auch filmisch nicht gerade einfach umzusetzen. Und ein Sender, der eine solche Dokumentation in Auftrag gibt, findet sich in der Regel auch nicht ohne weiteres. Mit mondänen Hochglanzthemen lassen sich Geld und Quote jedenfalls wesentlich leichter verdienen.

Karin Jurschick ist unter den genannten Umständen ein bravouröser und im besten Sinne gesellschaftlich relevanter Film gelungen. Ihre 80-minütige Dokumentation (Redaktion: Inge Classen) ist auf der Höhe der Komplexität des Themas und gibt - am Beispiel Bosnien-Herzegowina/Kosovo - einen selten erlebten Einblick in die Teufelskreis-Struktur des "Trafficking".

Jurschick baut im Rahmen ihrer Dokumentation, die Züge sowohl einer staatsanwaltliche Recherche wie einer soziologische Reflexion hat, eine Argumentationskette auf, die deutlich macht, dass der Frauenhandel ein globales Phänomen, eine parasitäre Begleiterscheinung von Kriegen ist. Einen endgültigen Beweis für diese These kann der Film nicht geben. Klar ist aber, dass hier ein bedeutendes Thema endlich zur Sprache gebracht wird.

Dieser Film ist eine Aufforderung zum Weiterdenken, ein Plädoyer zum lauten Nachdenken über etwas, das viel zu wenig im Bewusstsein ist. Und wer eins und eins zusammenzählt, kann sich der Conclusio nicht entziehen.

 
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